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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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für viertausend Dollar gekauft«, fuhr sie fort. »Er hat viel zuviel bezahlt. Bevor er abreiste, hat er mich gebeten, daß ich mich darum kümmere, bis er zurückkäme. Ich nehme an, es ist jetzt Ihr Auto.«
    »Es ist nicht meins. Wofür brauchte er ein Auto?«
    »Er fuhr gern. Vor allem, nachdem er angefangen hatte, den Ort zu besuchen, zu dem wir jetzt unterwegs sind.«
    »Ich weiß noch immer nicht, wohin wir fahren.«
    Lucinda antwortete nicht. Louise fragte nicht noch einmal. »Er hat es von einem Dänen gekauft, der seit vielen Jahren hier wohnt und eine kleine Werkstatt betreibt. Alle wissen, wer Carsten ist. Ein freundlicher Mann mit einem dicken Bauch, der mit einer mageren kleinen schwarzen Frau aus Quelimane verheiratet ist. Sie streiten sich immer, vor allem sonntags, wenn sie am Strand Spazierengehen. Alle freuen sich, sie streiten zu sehen, weil es beweist, wie sehr sie sich lieben.«
    Sie fuhren eine gute Stunde, die meiste Zeit schweigend. Louises Augen folgten der wechselnden Landschaft. Manchmal fand sie, daß sie sich eine Winterlandschaft in Härjedalen vorstellen konnte, wenn das Grün durch Weiß ersetzt würde. Auch die griechische Natur, die sie von der Peloponnes her kannte, war vertreten. Alles schien eins zu sein, dachte sie. Aus den Scherben der Natur kann man alle Arten von Landschaften bilden.
    Lucinda schaltete zurück und bog von der Straße ab. Hier war eine Bushaltestelle und ein kleiner Markt. Die Erde neben der Fahrbahn war zertreten, in kleinen Buden wurden Bier, Erfrischungsgetränke und Bananen verkauft. Ein paar Jungen mit Kühltaschen stürmten aufs Auto zu. Lucinda kaufte zwei Sodawasser und gab Louise das eine, scheuchte dann die Jungen fort. Sie gehorchten ihr sofort und unterließen alle aufdringlichen Versuche, ihre südafrikanischen Kekspackungen zu verkaufen.
    »Hier haben wir immer angehalten«, sagte Lucinda.
    »Sie und Henrik?«
    »Manchmal verstehe ich Ihre Fragen nicht. Mit wem sonst hätte ich hier sein sollen? Mit einem meiner Kunden aus der Vergangenheit?«
    »Ich weiß nichts über Henriks Leben in diesem Land. Was wollte er? Wohin fahren wir?«
    Lucinda betrachtete einige Kinder, die mit einem Hundewelpen spielten.
    »Als wir das letzte Mal hier waren, sagte er, daß er diesen Platz liebe. Hier endete die Welt, oder hier fing sie an. Niemand könnte ihn finden.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Ich erinnere mich an seine Worte. Ich fragte ihn, was er meine, weil ich nicht verstand. Er konnte manchmal so dramatisch sein. Aber als er vom Anfang und vom Ende der Welt sprach, war er vollkommen ruhig. Es war, als wäre die Angst, die er ständig mit sich herumtrug, plötzlich verschwunden, zumindest für einen flüchtigen Augenblick.«
    »Was hat er geantwortet?«
    »Nichts. Er schwieg. Dann fuhren wir weiter. Das war alles. Soweit ich weiß, ist er nicht wieder hergekommen. Ich weiß nicht, warum er aus Maputo abgereist ist. Ich wußte nicht einmal, daß er abreisen würde. Plötzlich war er einfach weg. Niemand wußte etwas.«
    Genau wie Aron, Die gleiche Art zu fliehen, ohne ein Wort, ohne eine Erklärung. Genau wie Aron.
    »Setzen wir uns in den Schatten«, sagte Lucinda und öffnete die Wagentür. Louise folgte ihr zu einem Baum, dessen Stamm zu einer knorpeligen Bank geformt war, auf der sie beide Platz fanden.
    »Schatten und Wasser«, sagte Lucinda. »Das teilen wir in warmen Ländern. Was teilen Sie, wo es kalt ist?«
    »Wärme. Es gab einen berühmten Mann in Griechenland, der einst einen mächtigen Herrscher, der ihm versprochen hatte, seinen größten Wunsch zu erfüllen, darum bat, zur Seite zu treten, weil er ihm die Sonne verdeckte.«
    »Sie gleichen sich, Sie und Henrik. Sie haben die gleiche Art von ... Hilflosigkeit.«
    »Danke.«
    »Ich wollte Sie nicht verletzen.«
    »Es war ein aufrichtiges Danke, weil Sie finden, daß ich meinem Sohn gleiche.«
    » Ist es nicht umgekehrt ? Daß er Ihnen glich ? In dem Punkt unterscheiden Sie und ich uns auf jeden Fall. Ich glaube nicht, daß man seinen Ursprung aus der Zukunft nimmt. Man kann sich dem Unbekannten nicht nähern, ohne die ganze Zeit zu wissen, was vorher da war. «
    »Aus dem Grund bin ich Archäologin geworden. Ohne Fragmente und Flüstern aus der Vergangenheit gibt es kein Jetzt, keine Zukunft, nichts. Vielleicht haben wir trotz allem mehr gemeinsam, als Sie glauben?«
    Die mit dem mageren Hundewelpen spielenden Kinder liefen vorbei. Staub wirbelte von der trockenen Erde auf.
    Lucinda zeichnete

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