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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sie gegen Bezahlung nannte, in diesem Bett geschlafen hatte?
    Ein heftiges Unbehagen überkam sie. Sie ging wieder hinunter ins Erdgeschoß, zog den Korken aus einer halbvollen Flasche Wein und setzte sie an den Mund.
    Zu spät sah sie, daß Graça in der leicht geöffneten Küchentür stand und sie betrachtete.
    Um zwölf Uhr wurde ihr ein Omelett serviert. Der Tisch wurde gedeckt, als befände sie sich in einem Restaurant. Sie stocherte nur im Essen herum.
    Die Leere, bevor ein Entschluß gefaßt wird, dachte sie. Eigentlich weiß ich schon, daß ich so schnell wie möglich wieder abreisen sollte.
    Sie trank Kaffee hinter dem Haus, wo die Hitze nicht so stark war. Der Hund lag an seiner Kette und ließ sie nicht aus den Augen. Langsam nickte sie ein.
    Sie erwachte davon, daß Celina sie leicht an der Schulter berührte. »Besuch«, sagte sie.
    Louise erhob sich schlaftrunken. Sie hatte von Artur geträumt, etwas, was in ihrer Kindheit geschehen war. Wieder waren sie in dem dunklen See geschwommen. An mehr konnte sie sich nicht erinnern.
    Im Wohnzimmer wartete Lucinda auf sie.
    »Haben Sie geschlafen?« »Meine Trauer und mein Schlaf gleiten ineinander. Ich habe noch nie soviel und sowenig geschlafen wie nach Henriks Tod.«
    Celina kam herein, fragte etwas in ihrer afrikanischen Sprache und verschwand wieder.
    Louise dachte, daß sie sich so leicht bewegte, als ob ihre Füße den dunkelbraunen Holzfußboden gar nicht berührten. »Worüber haben Sie gesprochen? Ich verstehe absolut nichts.«
      »Sie hat gefragt, ob ich etwas trinken möchte.  Ich habe nein gesagt «
    Lucinda war weiß gekleidet und trug Schuhe mit hohen Absätzen. Ihr Haar war geflochten und lag dicht am Kopf an.
    Lucinda ist sehr schön. Sie hat mit Henrik das Bett geteilt, genau wie mit Lars Hakansson.
    Der Gedanke bereitete ihr Unbehagen.
    »Ich möchte Sie auf eine Autofahrt mitnehmen«, sagte Lucinda.
    »Wohin?«
    »Aus der Stadt hinaus. An einen Ort, der Henrik sehr viel bedeutet hat. Wir kommen am Abend zurück.«
    Lucindas Wagen stand im Schatten eines blühenden Jakaran-dabaums. Lavendelfarbene Blätter waren auf die rote Motorhaube gefallen. Der Wagen war alt und verbeult. Als Louise sich hineinsetzte, spürte sie den Duft von Früchten.
    Sie fuhren durch die Stadt. Es war sehr warm im Auto. Louise hielt das Gesicht dem offenen Fenster zugewandt, um den Luftzug aufzufangen. Der Verkehr war chaotisch, überall Fahrzeuge, die vorwärtsdrängten. Fast alle Autos wären in Schweden auf der Stelle aus dem Verkehr gezogen worden, dachte Louise. Aber es war nicht Schweden, sie waren in einem Land in Ostafrika, und hier war Henrik gewesen, kurz bevor er gestorben war.
    Sie näherten sich den Außenbezirken der Stadt, heruntergekommene Lagerhallen, überall aufgebrochene Bürgersteige, rostige Autos und ein endloser Strom gehender Menschen. Als sie vor einer roten Ampel hielten, sah Louise eine Frau, die einen großen Korb auf dem Kopf trug, eine andere Frau balancierte zwei hochhackige rote Schuhe, ebenfalls auf dem Kopf. Überall Lasten, dachte sie. Lasten, die ich auf den Köpfen der Frauen sehe. Andere Lasten, die sie in sich tragen, kann ich nur erahnen.
    Lucinda bog an einer chaotischen Kreuzung ab, an der die Ampeln nicht funktionierten. Entschlossen manövrierte sie den Wagen durchs Gewühl. Louise erkannte im Vorbeifahren den Namen Xai-Xai auf einem Wegweiser.
    »Wir fahren nach Norden«, sagte Lucinda. »Wenn Sie hier immer geradeaus fahren würden, kämen Sie in Ihr Land. Wir fahren nach Osten und nach Norden.«
    Sie fuhren an einem großen Friedhof vorüber. Vor den Toren drängten sich mehrere Beerdigungsgesellschaften. Plötzlich lag die Stadt hinter ihnen, der Verkehr nahm ab, die niedrigen Häuser aus Lehm und Wellblech entlang der Straße wurden seltener, die Landschaft öffnete sich, hohes Gras, in der Ferne Berghöhen, alles in verschiedenen Grüntönen. Lucinda konzentrierte sich aufs Fahren. Überladene Lastwagen und Busse, die Wolken schwarzer Abgase ausstießen, blok-kierten die Straße, nur selten gab es Überholmöglichkeiten. Louise betrachtete die Menschen auf den Feldern. Sie sah einige Männer, doch hauptsächlich Frauen, Hacken, die gehoben wurden und herabfielen, gebeugte Rücken - und an den Straßenrändern ein nicht abreißender Strom gehender Menschen.
    »Es ist Henriks Auto«, sagte Lucinda plötzlich.
    Sie hatte einen der qualmenden Busse überholt, und die Straße lag gerade und frei vor ihnen.
    »Er hat ihn

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