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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wäre die Entfernung zwischen Barcelona und Südafrika zu groß, um einen normalen Gesprächston anzuschlagen.
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Sie versuchte es nicht noch einmal, man hatte ihr bestätigt, was sie schon wußte: Aron war weiterhin verschwunden.
    Sie zog sich an und ging hinunter in den Speisesaal. Der Wind vom Meer war erfrischend. Als sie ihr Frühstück eben beendet hatte, sprach jemand sie mit ihrem Namen an: »Frau  Cantor«, mit Betonung auf der zweiten Silbe. Sie drehte sich um und sah direkt in das bärtige Gesicht eines Mischlings, halb Europäer, halb Afrikaner. Der Blick des Mannes war durchdringend. Wenn er sprach, sah man seine schlechten Zähne. Er war klein, korpulent und ungeduldig. »Louise Can-tor?«
    »Das bin ich.«
    Sein Englisch war portugiesisch gefärbt, aber gut verständlich. Ohne zu fragen, zog er den Stuhl ihr gegenüber heraus und setzte sich. Der Bedienung, die sich näherte, winkte er ab.
    »Ich bin Nuno, ein Freund von Lucinda. Ich habe gehört, daß Sie hier sind und daß Henrik tot ist.«
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind.«
    »Natürlich nicht. Ich bin ja noch keine Minute hier.«
    »Nuno, und weiter? Sie haben meinen Sohn gekannt?«
    »Nuno da Silva. Ich bin Journalist. Henrik hat mich vor ein paar Monaten aufgesucht. Er hat Fragen gestellt, wichtige Fragen. Ich bin gewohnt, daß Menschen mich aufsuchen, aber nicht, daß sie Fragen stellen, die mich interessieren.«
    Louise versuchte sich zu erinnern, ob Henrik in seinen Aufzeichnungen je den Namen des Mannes erwähnt hatte. Doch ihr fiel kein Nuno da Silva ein.
    »Was für Fragen waren das?«
    »Sagen Sie mir zuerst, was geschehen ist. Lucinda sagte, er sei in seinem Bett gestorben. Wo stand sein Bett?«
    »Warum stellen Sie eine so eigentümliche Frage?«
    »Weil er auf mich den Eindruck eines Mannes machte, der den Ort, an dem sein Bett stand, häufig wechselte. Ein junger Mann in Bewegung. Als ich ihm begegnete, dachte ich sofort, daß er mich daran erinnerte, wie ich selbst vor fünfundzwanzig Jahren war. «
    »Er starb in Stockholm.«
    »Ich habe diese Stadt einmal besucht. Es war 1974. Die Portugiesen standen kurz davor, ihre Kriege in den afrikanischen Kolonien zu verlieren. Es war vor der Revolte der Offiziere in  Lissabon. Anlaß meiner Reise war eine Konferenz; wer mir die Kosten bezahlte und mir ein Visum besorgte, weiß ich bis heute nicht. Aber es war ermutigend zu sehen, wie diese geborgenen schwedischen Jugendlichen, die nicht die geringste Erfahrung mit Kriegen und den Abscheulichkeiten kolonialer Unterdrückung gemacht hatten, uns freimütig ihre Unterstützung anboten. Aber das Land machte auch einen seltsamen Eindruck auf mich.«
    »Inwiefern?«
    »Wir sprachen von früh bis spät über die Freiheit. Aber es war unmöglich, nach zehn Uhr abends ein Lokal zu finden, wo man Bier trinken konnte. Alles war geschlossen, oder Alkohol war verboten. Niemand konnte erklären, warum. Die Schweden verstanden uns, aber nicht sich selbst. Was ist mit Henrik passiert?«
    »Die Ärzte sagen, sein Körper sei voller Schlafmittel gewesen.«
    »Er hätte nie Selbstmord begangen! War er krank?«
    »Er war nicht krank.«
    Warum lüge ich? Warum sage ich nicht, daß es die Angst vor der Krankheit gewesen sein kann, die ihn getötet hat. Aber ich will vielleicht noch immer nicht glauben, daß es tatsächlich so war. Er war krank, aber er hätte dagegen angekämpft. Und er hätte es mir gesagt.
    »Wann ist er gestorben?«
    »Am 17. September.«
    Die Reaktion des dunkelhaarigen kleinen Mannes auf Louises Antwort war energisch. »Er hat mich ein paar Tage zuvor angerufen.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ich bin Journalist, aber auch Herausgeber einer Zeitung. Meine kleine Faxzeitung erscheint täglich außer sonntags. Ich trage einen Kalender in meinem Gehirn mit mir herum. Henrik rief an einem Dienstag an, und Sie haben ihn am Freitag gefunden.«
    »Was wollte er?«
    »Er hatte einige Fragen, die nicht warten konnten.«
    Der Frühstücksraum begann sich zu füllen. Die meisten Gäste waren laute Südafrikaner mit vorstehenden Bäuchen. Louise sah, daß Nuno immer stärker irritiert war. »Ich komme nie hierher. Hier gibt es nichts, was die Wahrheit über dieses Land erzählt. Es könnte ein Hotel in Frankreich oder England sein, oder warum nicht in Lissabon. Hier ist die Armut weggefegt, es ist ihr verboten, sich zu zeigen.«
    »Ich ziehe heute um.«
    »Henrik hätte nie einen Fuß in ein Hotel wie dieses gesetzt, wenn er

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