Kennwort: Schwarzer Ritter
viel ich weiß, ist Todd Buchanan bisher nicht irgendeines Verbrechens angeklagt worden.“
„Er hat meine Schwester umgebracht.“
„Ich glaube nicht, dass er es getan hat, Mitch.“
Seine Augen wurden schmal. „Woher willst du das wissen?“
„Todds Verlobte hat mir eine Videoaufnahme gegeben, die sie von ihm gemacht hat, kurz bevor sie zu mir gekommen ist. Ich habe mir das Band zweimal angesehen. Ich wollte ihm nämlich auch nicht glauben. Ich wollte Lücken in seiner Geschichte finden. Ich hatte damit gerechnet, dass er unaufrichtig klingen würde, zögernd, sogar ausweichend. Nichts davon war zu bemerken. Er ist nur ein ängstlicher Mensch, der in der Flucht seine einzige Möglichkeit sah.“
„Er hatte eine andere. Er hätte bleiben und sich einem Prozess stellen können.“
„Wie denn, wenn nicht einmal sein eigener Anwalt ihm glaubte?“
Mitchs Gesicht verfärbte sich. „Er glaubte ihm nicht, weil Todds Geschichte nicht stimmte.“
„Vielleicht wollte ihn ja auch die Polizei von Fairfax als Mörder festnageln. Ich habe dir das nie erzählt, aber bei Fairchild Baxter war man sich damals, als Todd verhört wurde, einig darüber, dass er nicht fair behandelt worden war.“
„Das ist kompletter Blödsinn.“
„Wirklich, Mitch? Willst du etwa abstreiten, dass die gesamte Polizei von Fairfax Todd hasste, und dass Detective Sykes ein bisschen zu voreilig mit seinen Schlussfolgerungen war?“
„Ich leugne nicht, dass Todd nicht zu ihren Lieblingen gehörte, aber zu unterstellen, dass die Polizisten sich bei ihrem Urteil von ihren Gefühlen leiten lassen, ist lächerlich und beleidigend. Es gab Beweise, Kate, glasklar und erdrückend.“
„Das waren ausschließlich Indizienbeweise.“
Sein Zorn flammte erneut auf. „Er ist geflohen, verdammt noch mal. Er hätte kaum schuldiger wirken können, wenn er ein Schild mit dem Wort in großen, fetten Buchstaben darauf um seinen Hals getragen hätte.“
„Es war eine Kurzschlusshandlung. Er hat so oft gesehen, Mitch, dass unschuldige Leute verurteilt wurden wegen eines Verbrechens, das sie gar nicht begangen haben. Dann werden sie Jahre später entlassen und haben keine Zukunft mehr. Deshalb ist er weggelaufen. Nicht, weil er schuldig war, sondern weil er überleben wollte.“
Sie schwieg einige Sekunden. „Kann ich dir erzählen, was er auf dem Band gesagt hat, ohne dass du mir gleich den Kopf abreißt?“
Kate hatte auf ein kleines Lächeln gehofft und dass der kalte blaue Blick ein wenig wärmer wurde – ein Zeichen, dass er nicht bloß wegen der Umstände böse auf sie war. Aber ihre Hoffnung schwand schnell, denn Mitchs Ausdruck blieb unbeweglich.
Sie versuchte, das Gefühl der Verletzung beiseite zu drängen, und wiederholte Todds Worte, so gut sie sich an sie erinnerte. Sie erklärte, warum sie nach und nach begonnen hatte, ihm zu glauben, und warum dieses Gefühl von Minute zu Minute intensiver wurde. Was hätte Todd mit Lügen gewinnen können, wenn er sie um Hilfe bitten wollte, meinte sie. Dort, wo er sich aufhielt, war er glücklich und sicher. Ohne seine Verlobte hätte er sich niemals gemeldet.
Das lange Schweigen wurde nur durch das Ticken der Großvateruhr im Flur unterbrochen. Leise fragte sie: „Wusstest du, dass Molly ihn betrog?“
„Ich habe das Polizeiprotokoll gelesen, Kate. Er hat gelogen.“
„Sie trug einen Tanga, als man sie fand, Mitch. Sie hatte Champagner und Gläser und Sexspielzeug mitgebracht. Sie erwartete jemanden, und das war nicht Todd.“
Mitch schob die Hände in seine Taschen, lehnte sich gegen die Anrichte und warf ihr einen finsteren Blick zu. „Gut, Molly war nicht vollkommen. Hat sie es deshalb verdient, umgebracht zu werden?“
„Nein, aber wenn sie andere Männer getroffen hat oder auch nur einen Mann, könnte es doch durchaus sein, dass es da draußen jemanden gab, der einen Grund hatte, sie zu töten? Jemand, der sich von ihr bedroht fühlte?“
„Die Polizei hat das nachgeprüft. Sie haben nichts gefunden. Oder jemanden. Todd lügt. Mein Gott, Kate, du bist doch eine kluge Anwältin – siehst du nicht, dass er dir etwas vormacht?“
Fast hätte sie ihn wegen dieser Bemerkung angefaucht. Er wusste ganz genau, dass sie nicht leicht zu täuschen war. „Du kannst mir ruhig ein bisschen vertrauen. Ich merke sehr wohl, wenn mir einer etwas vormacht. Und als ich die Kassette angesehen habe …“
„… bei deren Aufnahme er und seine Verlobte vermutlich ein Dutzend Mal geprobt
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