Keraban Der Starrkopf
zugegeben… eine Badewanne! Doch wenn eine Erdrevolution Ihr Holland in diese Badewanne würfe, würde ihr ganzes Holland darin ertrinken!… Eine Badewanne!«
Und dieses Wort immer zwischen den Zähnen murmelnd, durchmaß der Seigneur Keraban wieder das Zimmer.
»Ich weiß aber ganz bestimmt, daß ich nicht eine Badewanne gesagt habe! knurrte Van Mitten, ganz außer sich… Glauben Sie, junger Freund, setzte er sich an Ahmet wendend hinzu, daß ich eine solche Bezeichnung nicht einmal im Gedanken gehabt habe!… Das Atlantische Meer…
– Das mag ja sein, Herr Van Mitten, antwortete Ahmet, aber es ist weder der Ort, noch die Zeit dazu, darüber eine Auseinandersetzung anzufangen!
– »Badewanne!«… preßte der starrköpfige Mann noch einmal durch die Zähne.
Er blieb stehen, um seinem Freunde, dem Holländer, gerade in’s Gesicht zu sehen, ihm, der Holland, welches der Seigneur Keraban mit Mann und Maus von den Fluthen des Pontus Euxinus verschlingen zu lassen drohte, jetzt gar nicht mehr zu vertheidigen wagte.
Noch eine Stunde etwa nahm die Gewalt des Sturmes immer zu. In großer Unruhe begaben sich die Wächter von Zeit zu Zeit nach der Decke des Häuschens, um den Holzthurm zu besichtigen, auf dessen Spitze die Laterne schwankte. Gebrochen von der Anstrengung, hatten ihre Gäste wieder auf den Bänken Platz genommen und suchten vergeblich, einige Minuten Schlaf zu finden.
Plötzlich – gegen zwei Uhr Morgens – wurden Herren und Diener heftig aus ihrem Halbschlaf aufgerüttelt. Die. Fenster, deren Läden abgerissen worden waren, gingen eben in Stücke.
Während einer kurzen, ruhigeren Pause ließ sich gleichzeitig von der Seeseite her ein Kanonenschuß vernehmen.
Viertes Capitel.
In welchem Alles unter blendenden Blitzen und krachenden Donnerschlägen vor sich geht.
Alle waren aufgesprungen, nach den Fenstern geeilt und schauten nach dem Meere hinaus, dessen vom Wind zerstäubte Wogen das Wärterhäuschen mit dichtem Regen überschütteten. Draußen war es tief dunkel, und man hätte kaum auf einige Schritte etwas erkennen können, wenn nicht grelle Blitze in kurzen Zwischenräumen den Horizont erleuchtet hätten.
Bei einem solchen Blitze war es, wo Ahmet auf einen sich bewegenden Punkt aufmerksam machte, der auf dem Wasser sichtbar wurde und gleich wieder verschwand.
»Ist das ein Schiff? rief er.
– Und wenn es ein solches ist, war es dasselbe, welches den Kanonenschuß abgab? sagte Keraban.
– Ich steige nach der Gallerie des Thurmes, sagte einer der Wächter, sich nach der schmalen Holztreppe begebend, welche nach dem inneren Aufstieg des Leuchtthurmes führte.
– Ich begleite Sie,« erklärte Ahmet.
Während dieser Zeit blieben der Seigneur Keraban, Van Mitten, Bruno und Nizib und der zweite Wächter trotz des Sturmes und Staubregens an den zertrümmerten Fenstern stehen.
Vom Sturme aufgescheuchte Seevögel. (S. 258.)
Ahmet und sein Begleiter hatten bald im Niveau des Hausdaches die Plattform erreicht, welche dem Thurme als Grundlage diente. Von hier erhob sich zwischen den, mit Querhölzern verbundenen Balken, welche das ganze Bauwerk bildeten, eine in freier Luft aufsteigende Treppe, deren sechzigste Stufe nach dem oberen, den Leuchtapparat tragenden Theile des Thurmes führte.
Eine Kugel durchschnitt die Trombe. (S. 260.)
Der Orkan wüthete jetzt so heftig, daß dieser Aufstieg nur mit größter Anstrengung durchzuführen war. Die massigen Holzpfeiler des hohen Gerüstes schwankten bis zu ihrem Grunde. Zuweilen wurde Ahmet so gewaltsam gegen das Treppengeländer gedrückt, daß er fürchten mußte, sich davon gar nicht wieder losreißen zu können; sobald der Wind aber etwas abflaute, benützte er die Gelegenheit, zwei oder drei Stufen weiter empor zu klimmen, und konnte so dem Wächter, der auch kaum schneller von der Stelle kam, bis zur oberen Gallerie folgen.
Aber welch’ packendes Schauspiel bot sich hier! Ein entfesseltes Meer, das sich in ungeheueren Wellen an den Uferklippen brach; Dunstmassen, die sich in Staubregenwolken auflösten, wenn sie an der Laterne des Thurmes vorüberflogen; wahre Berge von Wasser, die sich weiter draußen aufthürmten und deren Kämme in der Atmosphäre noch genug zerstreutes Licht fanden, um sich als weißliche Schaumlinien abzuheben; ein tiefdunkler Himmel, beladen mit niedrigen, unglaublich schnell darüber hinjagenden Wolken, welche zwischen ihren Lücken zuweilen noch höhere und dichter geballte Dunstmassen
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