Keraban Der Starrkopf
meinen Theil übrig lassen sollen, und brauchten nicht Alles zu verzehren, um sich zu überzeugen, was das war…
– Hammelfleisch, gewiß, Nizib! Mein Gewissen verpflichtet mich…
– Sagen Sie lieber, Ihr Magen!
– Es anzuerkennen!… Alles in Allem haben Sie übrigens keine Ursache, es zu bedauern, Nizib.
– Und doch, Herr Bruno, und doch.
– Nein, Sie hätten nicht davon essen können.
– Und warum nicht?
– Weil das Hammelfleisch gespickt war, Nizib, verstehen Sie wohl… mit Speck… und Speck ist doch verbotene Speise!«
Darauf erhob sich Bruno vom Tische und rieb sich den Magen wie Einer, der gut gespeist hat; darauf kehrte er mit dem enttäuschten Nizib nach dem andern Zimmer zurück.
Der Seigneur Keraban, Ahmet und Van Mitten lagen hier zwar auf den Holzbänken ausgestreckt, hatten aber doch kein Auge zuthun können. Der Sturm draußen wüthete immer toller. Die Balken des Holzhauses ächzten unter seinen Stößen, so daß man fürchten konnte, der Leuchthurm werde umgeworfen werden. Der Wind schüttelte an der Thür und den Fensterläden, als ob ein furchtbarer Widder gegen dieselben anrenne. Man mußte Alles besonders befestigen. Aus der Erschütterung des bis in die Wände des Hauses hinabreichenden Thurmes konnte man schließen, wie heftig der Orkan in einer Höhe von fünfzig Fuß wüthen mußte. Ob das Thurmgerüst dem Anprall widerstehen, ob das Feuer weiter brennen werde, um die gefährliche Fahrstraße von Atina zu erhellen, daran war jetzt wirklich ernsthaft zu zweifeln. Es mochte nun gegen elfeinhalb Uhr Nachts sein.
»Es ist unmöglich hier zu schlafen! rief Keraban, der sich erhob und ungeduldigen Schrittes in dem beschränkten Raume auf und ab ging.
– Nein, sagte auch Ahmet, und wenn die Kraft des Orkans noch zunimmt, so können wir anfangen, für dieses Haus zu fürchten.
– Ich denke also, es ist gut, sich für al le Fälle bereit zu halten.
– Schlafen Sie, Van Mitten? Können Sie denn schlafen?« fragte Keraban.
Er schüttelte damit seinen Freund.
»Ich war im Einschlummern, erwiderte Van Mitten.
– Das können nur sehr phlegmatische Naturen! meinte einer der Wächter. Der Wind steht auf die Küste zu, und wer weiß, ob die Klippen von Atina morgen nicht mit Trümmern bedeckt sind.
– War denn ein Schiff in Sicht? fragte Ahmet.
– Nein… erklärte der Wächter, wenigstens vor Untergang der Sonne nicht. Als ich auf den Thurm stieg, um das Leuchtfeuer anzuzünden, war auf der See nichts zu bemerken. Das ist ein Glück, denn das Fahrwasser vor Atina ist ganz schlecht, und selbst mit Hilfe unseres Feuers, das bis fünf Meilen vor den kleinen Hafen hinausleuchtet, ist es schwierig, hier einzulaufen.«
In diesem Augenblick warf ein heftiger Windstoß die Stubenthür herein, als solle sie in Stücke gehen.
Der Seigneur Keraban hatte sich jedoch gegen dieselbe geworfen, sie zugedrückt und, mit vollen Kräften gegen den Sturm ankämpfend, war es mit Hilfe des Wächters gelungen, sie wieder zurückzuschlagen.
»Welcher Starrsinn, rief er, aber ich habe ihn doch überwunden!
– Der entsetzliche Sturm! sagte Ahmet.
– In der That, entsetzlich, erwiderte Van Mitten, ein Sturm, der fast denen zu vergleichen ist, die sich, nachdem sie über den Atlantischen Ocean gefegt, über Holland hereinstürzen.
– Oho, machte Keraban, nur fast zu vergleichen!
– Aber bedenken Sie, Freund Keraban, ich meine die Stürme, welche von Amerika über den Ocean kommen.
– Und kann sich denn die Wuth des Oceans mit der des Schwarzen Meeres vergleichen, Van Mitten?
– Freund Keraban, ich möchte Ihnen nicht gern widersprechen, in Wahrheit aber…
– In Wahrheit versuchen Sie es! fiel ihm Keraban in’s Wort, der in jetziger Lage natürlich nicht bei guter Laune sein konnte.
– Nein…. ich sagte nur…
– Sie sagten?
– Ich wollte sagen, daß das Schwarze Meer im Vergleich zum Ocean, im Vergleich zum Atlantischen Ocean, doch nur ein See sei.
– Ein See!… fuhr Keraban, den Kopf erhebend, auf. Bei Allah! Mir scheint, Sie sagten ein See.
– Ein großer See, wenn Sie wollen, antwortete Van Mitten, der seine Ausdrücke zu mildern sachte, ein ungeheuerer See… aber doch ein See!
– Warum denn nicht ein Teich?
– Ich sagte nicht ein Teich.
– Warum nicht ein Sumpf?
– Ich sprach von keinem Sumpfe.
– Warum nicht eine Badewanne?
– Ich habe von keiner Badewanne gesprochen!
– Nein, Van Mitten, aber gedacht haben Sie das!
– Ich versichere Sie…
– Nun
Weitere Kostenlose Bücher