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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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lernen, amigo, sonst fallen wir eines schönen Tages auf. Und dann geht es uns an den Kragen. Dessen kannst du sicher sein.«
    Geschwind begab er sich wieder in sein Zimmer, um sich dort noch einmal niederzulegen. Aber da trat schon ein Diener ein, der weißes Brot, Ziegenmilch und duftenden Käse herbeibrachte. Das Frühstück begann. Den Abschluß bildeten mehrere Täßchen schweren Mokkas. Hernach hatten die beiden Freunde Zeit, sich eingehend mit den im Zimmer stehenden Hukahs 1 zu befassen. Sie machten ausgiebig von dem guten türkischen Tabak Gebrauch. Lange aber durften sie sich nicht unterhalten; denn sie mußten gewärtig sein, daß man sie beobachtete. Michel dachte an Aisads grimmiges Gesicht und wußte, daß er von diesem Mann nichts Gutes zu erwarten hatte. Jetzt erst wurde ihm bewußt, daß ihre Rettung nicht vollkommen war. Viele Punkte gab es zu bedenken. Dadurch, daß er als Lehrer für den Sohn des Bej angenommen war, würden sie viel Zeit verlieren, die Marinas Leidenszeit verlängern mußte. Aber Michel sah keinen Ausweg zur Flucht. Aisads Polizei würde es nicht entgehen, wenn sie versuchen sollten, auf ein Schiff zu gelangen. Zu Lande aber war der Weg ebenso gefährlich; denn man mußte annehmen, daß in den Städten Kaiman, Susa, Sfaks ebenfalls stärkere Polizeieinheiten stationiert waren, die das ganze Land bis zum Rand der Wüste überwachten. Außerdem war der Landweg über Tripolis, durch Libyen und an der Cyrenaikaküste entlang, über Ägypten, durch Palästina bis nach Istanbul eine Strapaze, der Landfremde kaum gewachsen waren.
    Der Pfeifer sah ein, daß er sich mit seinem voreiligen Angebot selbst gefangen hatte. Er hatte aber andererseits die einzige sich bietende Möglichkeit ausnutzen müssen. Das war ihm gelungen. Und er hatte allen Grund, darüber froh zu sein.
    Seine Wohnung war komfortabel. Er würde sicherlich einen guten Teil des Tages für sich selbst verwenden dürfen; denn Hammuda Pascha konnte nicht von früh bis abend Schießübungen machen. So beschloß er, die freien Stunden zu nützen, um die türkische Sprache zu erlernen. Durch Vermittlung eines Offiziers der Hampers gelang es ihm, für einen halben Piaster pro Tag einen Munschi [21] aufzutreiben, der früher einmal an der Hochschule des Islam in Istanbul unterrichtet hatte.
    In den ersten Wochen des unfreiwilligen Aufenthalts sahen Michel und Ojo den Bej so gut wie nie. Der Pfeifer gehörte zum regulären Gefolge Hammuda Paschas. Der Kronprinz war der Sohn einer der vielen Sklavinnen des Bej. In seiner Gesellschaft wurde Michel mit vielen Höflingen, Würdenträgern und Beamten bekannt.
    Hammuda Pascha rüstete Michel und Ojo mit kostbaren Gewändern aus, wie sie sein übriges Gefolge trug. Ojo wich nicht einen Schritt von der Seite des Pfeifers. Hammuda Pascha fragte denn auch eines Tages verwundert, wie denn jener Taubstumme so sehr zum Schatten Michels geworden sei.
    »Ich verstehe nicht, Abu Hanufa al Dinaweri, weshalb du einen so wenig nützlichen Freund mit dir herumschleppst«, fragte der Sohn des Bej.
    Aber Michel hatte sich schon eine Geschichte zurechtgelegt.
    »Das ist einfach zu erklären, Hammuda Pascha, er hat mich, als ich noch ein Kind war und er selbst nicht viel älter, aus den Händen habgieriger Spanier, die Allah verderben möge, gerettet. Dabei erhielt er eine Verletzung am Kopf, die ihm den Sinn des Sprechens und des Hörens zerstörte. Seit dieser Zeit haben wir uns nicht mehr getrennt. Ich nehme an, daß du das verstehen wirst.«
    »O natürlich! Freundschaft setzt sich über alle Grenzen hinweg.« Von diesem Tag an betrachtete der Pascha Ojo mit großer Verehrung.
    Die beiden Freunde verbrachten viele Stunden auf dem Kamel- oder Pferderücken, um mit dem Pascha zu jagen. Bald konnte dieser zielen wie Michel und besser schießen als alle Araber seiner Umgebung.
    Michel hatte es ängstlich vermieden, seine Muskete mehr als einmal »ohne zu laden« abzudrücken. Keiner hatte bisher erkannt, daß das ungefüge Gewehr sechs regelrechte Kugelläufe besaß. Sorgsam hütete er auch weiterhin dieses Geheimnis.
    Als zwei Monate vergangen waren, konnte Hammuda Pascha schießen wie der Teufel. Dennoch blieb er Michel stets doch unterlegen. Hammudas Flinte war zwar sehr kostbar, an Schaft und Kolben mit Gold, Juwelen und Ornamenten verziert. Aber mit diesem Ge-wehr konnte selbst Michel auf hundert Schritte Entfernung kein Ziel mehr sicher treffen. Er überredete den Pascha, sich ein Gewehr aus der

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