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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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»Du bist mein Freund, Abu Hanufa, und so werde ich unseren Geschäftsträger am Hofe des Sultans beauftragen, herauszufinden, ob ein Mädchen, wie du es beschrieben hast, an einen höheren Würdenträger der Pforte verkauft worden ist. Vielleicht kann er etwas in Erfahrung bringen, was allerdings ein großer Zufall wäre.«
    »O bitte, tu das nicht, Sayd, ich möchte nicht, daß irgend jemand außer dir weiß, was für ein Narr ich bin, ein Narr, der einem Phantom nachjagt, einem Mädchen, das er nur einmal gesehen hat.«
    »Sorge dich nicht, Sahabati, ich werde die Nachforschungen so veranlassen, als sei ich es selbst, der Teilnahme für sie empfindet.«

52
    Als der August ins Land kam, war die neue Flinte da, die Hammuda auf Michels Rat in Toledo bestellt hatte.
    Der »Kronprinz« war doch ein bißchen enttäuscht. Das Gewehr machte einen reichlich einfachen Eindruck.
    Michel gab ein paar Probeschüsse ab und war zufrieden. Mochte Hammudas bisheriges Schießeisen auch noch so schön verziert sein, es reichte in der Qualität nicht im entferntesten an die neue Waffe heran.
    Als der Pascha das Gewehr dann selbst ausprobierte, war sein Mißmut schnell verflogen. Er traf auf zweihundert Fuß einen Sperling, der sich auf einer Kokospalme sonnte. Das war ein Meisterschuß. Und als er sich mit der Waffe eingeschossen hatte, war er so begeistert davon, daß er sie selbst für eine ganze Schiffsladung wundervollster Frauen nicht mehr hergegeben hätte. Die Tage vergingen. Bei einer großen Fantasia [23] erwies es sich, daß Hammuda Pascha von keinem der Wettkämpfer im Schießen mehr zu schlagen war. Alle bewunderten seine Fertigkeit. Michel indessen hütete sich wohl, sich selbst am Wettkampf zu beteiligen. Noch immer war das Geheimnis seiner Büchse gewahrt.
    Eines Morgens riefen Jagdhörner das ganze Gefolge des Bej zu einer Löwenjagd zusammen, die sich über mehrere Tage erstrecken sollte.
    In dem Dorf Sidi bel Beira hatte ein Löwe die Einwohner in Angst und Schrecken versetzt. Er brach an hellichtem Tag in Ställe und Höfe ein, stürzte sich auf die spielenden Kinder und griff jeden an, der ihm zu Leibe gehen wollte.
    Die Bewaffnung der Dorfbewohner bestand größtenteils aus Speeren und Lanzen. Nur wenige besaßen Flinten. Mit diesen Schießprügeln konnte man jedoch keine zehn Schritte weit ins Ziel treffen. Es waren uralte Donnerbüchsen.
    Dorthin machte sich die Jagdkarawane des Bej auf. Selbstverständlich nahmen Michel und Ojo daran teil.
    Die höchsten Würdenträger und der dicke, grausame Bej saßen auf Elefanten.
    Einige Jäger fanden die Spur des gefährlichen Löwen sehr bald. Der Herr der Wildnis ruhte sich aber in seiner Höhle aus und ließ sich vorerst nicht blicken.
    Der Bej, sein Sohn, Michel, Ojo und wenige Vertraute, im ganzen sieben, hatten ihr Lager etwas abseits aufgeschlagen. Die erste Nacht verging.
    Am nächsten Morgen schwärmten die Treiber aus, um das gefährliche Tier aus seinem Versteck zu scheuchen.
    Der Bej kletterte über eine Leiter gerade auf den Elefantensitz, und Michel war dabei, sein Pferd zu satteln, als es plötzlich in den Büschen raschelte. Da stand der Löwe und setzte zum Sprung auf den Bej an.
    Michel konnte noch einen warnenden Schrei ausstoßen. Aber da stürzte der Tyrann bereits von der Leiter. Der Löwe hatte ihn im Sprung gestreift.
    Alles, was jetzt folgte, geschah in Bruchteilen von Sekunden.
    Hammuda Pascha riß seine Büchse hoch, drückte ab und fehlte. Der Löwe setzte zum zweiten Sprung an. Michel sah von seinem Standort aus direkt in seine glühenden Lichter. Der nächste Augenblick mußte über Tod und Leben des Bej entscheiden.
    Da warf der Pfeifer das Gewehr hoch und schoß einmal, zweimal, dreimal. Er hatte das Tier im Sprung tödlich getroffen. Der Löwe stürzte zwei Schritte vor seinem Ziel leblos zu Boden. Für eine Weile herrschte Totenstille im Umkreis.
    Aber nicht die Gefahr, in der sich der Bej befunden hatte, war die Ursache dieser Ruhe. Der Bej, sein Sohn, die drei Würdenträger, unter denen sich auch Aisad befand, starrten Michel mit weit aufgerissenen Augen an. »Baraka«, flüsterte der Bej, »das war Hexerei!«
    »Bei Allah«, rief Hammuda Pascha und stürzte auf seinen Freund zu, »weshalb hast du mir ein solches Schießen nicht beigebracht? Ich habe dich Sahabati genannt, und du hast mich schändlich betrogen!«
    »Erinnerst du dich nicht«, mischte sich Aisad ins Ge-sprach, »wie Abu Hanufa an dem Tag, als du, erhabener Bej, ihn

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