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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Fürsten oder unduldsame Muslimun. Ich habe die Juden immer bewundert. Sie sind hilfsbereit, und du weißt, daß jener alte Mann in Algier sein Leben wagte, als er uns durch die Postenkette der Janitscharen führte.« Sie waren weitergeritten und befanden sich jetzt auf der Höhe des Palastes. Ojo stellte gerade tiefsinnige Betrachtungen über die Intoleranz gegen die Juden auf der ganzen Welt an, als er sich plötzlich von zahlreichen Reitern umringt und vom Pfeifer getrennt sah.
    Die Gestalten, die auf den Pferden saßen, trugen drohende Mienen zur Schau. In ihren Händen
    blitzten Krummsäbel oder Damaskus-Dolche. Die Situation sah bedrohlich aus.
    Diaz Ojo blickte sich um und erspähte Michel, dem es nicht besser erging.
    Die Araber, die sonst ihre Aktionen stets mit viel Lärm und Getöse ausführten, waren schweigsam wie die Engel des Todes. Ohne ein Wort zu sagen, drängten sie die beiden Reiter durch das Palasttor, wo sie von einer noch größeren Schar finster blickender Gestalten empfangen wurden.
    Michel dachte sofort an Aisad. Ließ der Polizeichef zwei unschuldige Menschen einfangen, nur weil ihm ihre Gesichter nicht gefielen? Er sollte nicht lange auf die Antwort warten. Auf einer Seitentreppe erschien Aisads Gestalt. Seine Trabanten drängten Michel und Ojo bis an den Fuß der Treppe vor. Beide hatten ihre Waffen noch; aber es wäre sinnlos gewesen, davon Gebrauch zu machen.
    »Wollt ihr euch ergeben, ohne Widerstand zu leisten?«, kam die zischende Stimme Aisads. »Was willst du von uns?«
    »Ihr seid Spione aus Frankistan. Ihr seid räudige Hunde, die sich in unsere Stadt eingeschlichen haben. Ich, der Polizeimeister des Bej von Tunis, arretiere euch aus Sicherheitsgründen. Gebt die Waffen ab.«
    Michel knirschte mit den Zähnen. Wieder und wieder ging er seines kostbaren Gewehrs verlustig. Jedesmal galt es, zusätzliche Schwierigkeiten zu überwinden, um der Waffe wieder habhaft zu werden. Krampfhaft suchten seine Gedanken nach einem Ausweg. »Ihr sollt die Waffen abgeben«, sagte Aisad mit erhobener Stimme. »Ich gebe meine Befehle, damit sie befolgt werden. Wenn ihr weiterhin zögert, lasse ich euch an Ort und Stelle von meinen Soldaten in Stücke hauen.« »Pah«, erwiderte Michel. »Glaubst du im Ernst, daß ich mich vor den armseligen Plempen deiner Knechte fürchte? Befiehl ihnen, daß sie uns den Weg freigeben. Wir haben es eilig.«
    »Packt sie!« kam Aisads schneidende Stimme.
    »Verteidige dich, Ojo«, rief Michel auf spanisch, »ich schaffe Luft!«
    In die Polizeisoldaten kam Bewegung. Aber plötzlich blieben sie wie gebannt stehen.
    Durch Mark und Bein gehende Pfiffe, teuflische Triller verwirrten ihre Köpfe. Im selben Augenblick riß Michel seine Büchse hoch und feuerte dreimal in die Luft. Dabei hielt er das Gewehr so, daß jeder sehen konnte, wie das Mündungsfeuer dreimal kurz hintereinander aus derselben Flinte kam.
    »Los!« schrie er Ojo zu.
    Gleichzeitig mit dieser Aufforderung war vom Tor des Palastes her eine andere Stimme erklungen. »Was gibt es da?« rief ein dröhnender Baß. Die Umstehenden kreuzten beim Klang dieser Stimme die Arme über der Brust und verneigten sich tief. Auch Aisad erwies dem Rufer seine Reverenz. Wieder erklang der Baß.
    »Man bringe mir den Mann, der soeben die Schüsse abgegeben hat. Ich will ihn sehen.« »Tu genau, was ich tue, Ojo«, rief Michel seinem Freund zu und ritt durch die Soldaten, die ihm bereitwillig den Weg freigaben.
    Am Tor des Palastes hielt auf einem feurigen, schwarzen Rappen der Bej mit seinem Gefolge. Michel benutzte die wenigen Schritte, um neues Pulver auf die Pfanne zu schütten und die abgeschossenen Läufe mit Kugeln zu versehen. Dann hielten sie ihre Pferde und standen vor dem Bej, einem dicken Mann mit grausamen Augen und einem pechschwarzen Bart, der kaum etwas von seinen Gesichtszügen erkennen ließ. Ohne eine Anrede abzuwarten, sagte Michel: »Ich bin der Schütze, den du sehen wolltest, weshalb hast du mich gerufen?« Der Bej wunderte sich nicht wenig über die selbstbewußte Art, in der sich der Pfeifer ihm näherte.
    »Deine Sprache ist kühn. Ich, der Herrscher der Gläubigen von Ifrikija, gebe niemandem Rechenschaft über meine Gründe. Ich habe dich gerufen, und du hast zu gehorchen.« Michel Baum änderte sofort sein Verhalten, als er hörte, wen er vor sich hatte. »Es salam alejkum, erhabener Bej«, verbeugte er sich tief vom Pferd herab und führte die Hand zur Stirn und dann zum Herzen, »welche Gnade

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