Kerker und Ketten
zum Lehrer deines Sohnes machtest, dreimal hintereinander geschossen hat? Ich habe die ganze Zeit daran denken müssen. Er ist ein Abgesandter des Schejtans.« Der Bej, der mittlerweile wieder auf die Füße gekommen war, ging langsamen Schrittes auf Michel zu.
»Warum hast du uns verschwiegen, wie groß deine Künste sind, Elender?«
Michel zog unmerklich, so als suche er nur irgend etwas, um sich damit zu beschäftigen, den Sattelgurt fester, um, wenn nötig, sofort aufsitzen zu können. Ojo hatte mittlerweile gemerkt, worum es ging, und stand ebenfalls sprungbereit. Er verfolgte mit den Augen jede Bewegung der anderen, die in der nächsten Sekunde zu offenen Feinden werden konnten.
»Ich habe euch nicht betrogen«, nahm der Pfeifer das Wort. »Ich habe dich, Hammuda Pascha, alles gelehrt, was ich selbst kann. Und ich habe dir, o erhabener Bej, nur versprochen, deinen Sohn zum besten Scharfschützen zwischen Ifrikija und dem Maghreb al-aksa zu machen. Das habe ich gehalten.«
»Und weshalb hast du verschwiegen, daß du auch Geister beschwören kannst?« »Ich kann keine Geister beschwören.«
»Wie ist es dann möglich, daß du dreimal, ohne zu laden, mit ein und demselben Gewehr schießen kannst?«
»Damals, als ich dich zum erstenmal gesehen habe, Sayd, habe ich dir das Gewehr zum Anschauen gereicht. Du hast es genau betrachtet, um es mir dann mit verächtlicher Miene zurückzugeben. In deinen Augen war es eine häßliche Vogelflinte ohne jeden Wert. Wie hätte ich wagen dürfen zu behaupten, daß diese Waffe mehr wert sei als sämtliche Schießgewehre deiner Soldaten zusammengenommen? Du hättest mir nicht geglaubt.« Der Bej, Hammuda Pascha und Aisad traten neugierig näher.
»Soll das heißen«, fragte der erste, »daß jeder Mensch dreimal hintereinander mit diesem Gewehr schießen kann?«
»Ja, vorausgesetzt, daß er den Mechanismus kennt. Es ist das einzige Gewehr auf der ganzen Welt, mit dem man, sooft man will, schießen kann, ohne laden zu müssen.« Der Pfeifer hatte die villaverdische Muskete spielerisch in Anschlag gebracht, so daß die Mündung auf die Brust der Gegner wies. Die Männer wichen erschrocken zurück. »Zeige uns den Mechanismus«, giftete Aisad. Michel lachte ihm ins Gesicht.
»Ich müßte wahnsinnig sein, wenn ich das täte. Ich bin der einzige Mensch außer dem Erbauer des Gewehrs, der ihn kennt. Ohne mich kannst du die Muskete auf den Dunghaufen werfen. Sie würde nicht einmal losgehen.«
Aisads Blicke gingen unruhig zwischen dem Bej und dessen Sohn hin und her.
Hammuda Pascha konnte einerseits seine Enttäuschung, andererseits aber auch seine Sympathie für Michel nicht verbergen. Er wollte nichts gegen ihn unternehmen.
»Geben wir uns zufrieden mit der Erklärung Abu Hanufas«, sagte er. »Vielleicht hätte auch ich ein solches Geheimnis für mich behalten. Außerdem ist es ja dieser Wunderbüchse und seiner Schießkunst zu verdanken, daß du, mein Vater, noch unter den Lebenden weilst.«Michel atmete auf. Vielleicht würde es Hammuda gelingen, die anderen von dem Gedanken abzubringen, ihn als Feind zu betrachten.
Der Bej nickte. Und dieses Nicken sah aus wie Zustimmung. Aber in seinen Augen glomm ein gefährlicher Funke. Er wandte sich ab und ging wieder zu seinem Elefanten, wo ihm Aisad beim Aufrichten der Leiter behilflich war. Der Polizeimeister benutzte das Nebeneinandersein, um dem Fürsten zuzuflüstern:
»Soll ich ihn festnehmen lassen?«
Der Bej machte eine zustimmende Kopfbewegung.
53
Langsam versammelten sich auch die übrigen Mitglieder des Jagdzugs. Jäger und Treiber banden die Pfoten des erlegten Löwen zusammen und steckten einen Speer hindurch, an dem sie ihn triumphierend ins Dorf trugen:
Ganz Sidi bel Beira war ein jubelnder, vor Erregung brodelnder Kessel. Die Dorfbewohner bespuckten den Löwen, warfen Steine nach ihm und ergingen sich in den wildesten Beschimpfungen und Schmähungen.
Michel und Ojo wurden aufgefordert, für die kommende Nacht unter dem Dach des großen, seidenen Zeltes zu nächtigen, an dessen Eingang das Feldzeichen des Bej wehte. Diese Einladung nahm Michel das letzte Mißtrauen. Und da er müde und abgespannt war von den Anstrengungen des Jagdausfluges, fiel er bald in einen gesunden Schlaf. Ojo schnarchte, daß es wie die Grundgewalt des Kontrabasses klang. — Das Erwachen der beiden war weniger friedlich. Michel fühlte Lederriemen um Hand- und Fußgelenke.
Der flackernde Schein einer Fackel drang mit schmerzhafter
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