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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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wir, wenn Ibn Hamid ganz gesund ist. Wir wollen uns jetzt deswegen nicht
    »Sei ruhig«, unterbrach ihn Michel, »hast du eben das Geräusch gehört? Was kann das sein?« Sie lauschten beide.
    Ein erschrockener Aufschrei erklang. Eine helle Kinderstimme hatte ihn ausgestoßen.
    Die beiden Männer sprangen auf und eilten in Hamids Krankenraum.
    Sie gewahrten nichts Auffälliges. Vom Bett des Jungen her erklang jedoch ein Wimmern.
    »Hast du Schmerzen, Hamid?« fragte Michel.
    »Nein, Onkel, aber eben war ein böser Mann hier. Ich habe Angst.«
    »Böser Mann? Hast du vielleicht schlecht geträumt, Hamid?«
    Michel entzündete einen Kienspan und betrachtete das Gesicht des Jungen. Es sah nicht krank aus, und das Fieber war ziemlich gefallen.
    »Nein, Onkel, ich habe nicht geträumt. Es war bestimmt ein böser Mann hier, als ich aufwachte. Er hat solchen Lärm gemacht, daß ich davon wach wurde.«
    Michel beleuchtete jede Stelle im Zimmer. Da sah er an der Tür eine nasse Fußspur. Vor wenigen Minuten hatte es wieder angefangen zu regnen.
    »Nun, mein Junge, es wird nicht so schlimm sein. Komm, wir nehmen noch schön einen Löffel von dem schwarzen Pulver, und dann schläfst du weiter.« »Ja, Onkel«, sagte der Kleine voller Vertrauen.
    »Halte mir doch den Kienspan, Abd el Hamid«, wandte sich Michel an den Vater, »damit ich etwas sehe, wenn ich das Pulver auf den Löffel schütte.« Abd el Hamid tat wie ihm geheißen.
    Michel rüttelte den kleinen Krug und schüttete das Pulver aus. Plötzlich hielt er inne, riß dem Kaufmann das Licht aus der Hand und beugte seine Augen ganz dicht über das Gefäß. In der Kohle erspähte er eine ganze Anzahl weißer Körnchen, die vorher nicht darin gewesen waren. Er richtete sich auf und sah starr vor sich hin. »Was hast du?« fragte Abd el Hamid.
    »Komm heraus«, meinte Michel mit einem Seitenblick auf den Knaben. Und zu diesem gewandt:
    »Du brauchst heute das Pulver nicht mehr zu nehmen, Hamid. Ich mache dir morgen neues.«
    Ein Seufzer der Erleichterung entrang sich der Brust des Kranken. Die Medizin schmeckte nicht gut auf einer Kinderzunge.
    Draußen fragte Abd el Hamid aufgeregt:
    »Was hast du?«
    »Hier«, sagte Michel und reichte ihm das Gefäß mit dem Kohlenstaub hin, »hier hinein hat jemand Gift geschüttet. Der Junge hat nicht geträumt. Es war wirklich ein Fremder in seinem Zimmer.«
    Der Kaufmann wurde leichenblaß.
    »Bei Allah! Wer kann so gemein sein und ein Kind ermorden!«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich bin davon überzeugt, daß ich es morgen erfahren werde.« »Hast du schon eine Vermutung?« Michel nickte grimmig.

24
    Am nächsten Morgen in aller Frühe stellte Michel Halef an. Er mußte neues Holz verbrennen. Als Michel damit beschäftigt war, Pulver aus der Kohle zu machen, kam der Hekim wieder, um sich nach dem Befinden des Knaben zu erkundigen.
    »Oh, Allah sei Dank, Ibn Hamid ist gerettet«, jubelte der Vater, ohne im geringsten böse zu sein auf den Kurpfuscher, der ihn so schändlich betrogen hatte.
    »Habt Ihr heute morgen schon nach ihm gesehen?« fragte der Hekim wißbegierig. »Manchmal treten Dinge ein, an die man vorher nicht gedacht hat.« Seine Stimme war lauernd. Michel sah auf, ganz plötzlich, mit großen Augen.
    »Du«, sagte er, »Komplikationen gibt es in meiner Praxis nur, wenn mir jemand ins Handwerk pfuscht, hast du verstanden?«
    Der Hekim machte ein unschuldiges Gesicht.
    »Pfuscht dir jemand ins Handwerk? Nun, das geschieht dir recht. Du hast es ja bei mir nicht anders gemacht.«
    Schneller, als man schauen konnte, war Michel aufgesprungen und hielt diesen sonderbaren Hekim an seinem schmutzigen Burnus gepackt.
    »Wo warst du heute nacht?« stieß er zornbebend hervor.
    »Ich — ich — wo — soll ich gewesen sein?« stotterte der Hekim erschrocken.
    »Ich will es dir sagen, bei Gott, ich will es jedem in Oran erzählen, du Lump, du Verbrecher, du Mörder! Du warst heute nacht in des kleinen Hamid Zimmer und hast Gift in die Kohle getan, du verdammter Giftmischer!«
    Abd el Hamid starrte den rasenden Michel sprachlos an.
    »Weshalb wollte er denn meinen Sohn töten?« fragte er, wobei allerdings ein verhaltener Grimm in seiner Stimme zitterte. Man sah ihm an, daß er sich im nächsten Moment auf den Hekim stürzen würde.
    »Weshalb?« schrie Michel. »Das fragst du noch? Der Kerl wollte beweisen, daß auch ich nicht imstande bin, einen Menschen zu heilen. Er hatte Angst um seinen Ruf als Hekim. Deshalb wollte er deinen

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