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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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sah, daß seine Bitte erfolgreich war, strahlte er übers ganze Gesicht.
    »Kommt, kommt, meine Freunde, das Hammelfleisch ist gar. Ihr sollt einen Schmaus haben, an dessen Reichhaltigkeit Ihr noch lange denken werdet. Allah segne Euch.«
    Mit Verwunderung stellten die vier fest, daß zu so früher Stunde im Selamlik ein köstliches Mahl aufgetragen war. Es gab nicht nur Hammelfleisch mit Reis, sondern auch mehrere Schalen mit wunderbaren Süßspeisen, die als Abschluß vorzüglich mundeten. Im Anschluß daran reichte Abd el Hamid jedem eine Wasserpfeife und servierte selbst den Mokka.
    Der Diener war weit und breit nicht zu sehen.
    Als der Rauch zur Decke kräuselte, fragte der Araber:
    »Wohin werdet Ihr nun reiten?«
    »Ins Maghreb al-aksa [9] «, antwortete Michel, »wir wollen nach Fes zum Sultan.«
    »Ah! Das ist eine lange Reise. Ihr werdet einen halben Monat unterwegs sein.«
    »Damit rechnen wir. Wir haben schon Schlimmeres hinter uns gebracht.«
    »Nun, da hat Allah seine Hand über Euch gehalten. Ich bete, daß er es auch weiterhin tut. Aber wenn Ihr eine so lange Reise vor Euch habt, so braucht Ihr Geld. Habt Ihr genug?«
    Michel warf seinen Freunden einen Blick zu.
    »Die zweihundert Piaster, die du mir für die Heilung deines Sohnes bezahlt hast.« »Das ist nicht viel, wahrlich, das ist viel zu wenig für eine so lange Reise«, sagte Hamid. »Es ist deine Schuld, wenn wir verhungern. Warum hast du den Arzt deines Sohnes so schlecht bezahlt?«
    »Du könntest viel mehr Geld haben«, erwiderte Hamid, ohne auf Michels Vorwurf einzvigehen. »Weshalb verkaufst du mir nicht den Säbel dort an deinem Gürtel? Ich habe dir bereits gestern fünfhundert Piaster geboten. Ich erhöhe mein Angebot auf sechshundert.« Michel lachte. Das war es also, worauf der gerissene Gauner hinauswollte. »Fünftausend«, antwortete Michel gleichmütig. »Ich bin nicht so reich, daß ich einen solchen Säbel verschenken könnte.«
    Hamid streckte beide Hände aus und rief mit komischem Entsetzen: »Allah muß deinen Verstand verwirrt haben, wenn er es zuläßt, daß du einen solchen Preis forderst! Ich sage dir, die Steine sind schlecht, sie sind nicht einmal fünfhundert wert. Ich gebe dir aber sechshundert dafür, weil ich dir Gutes tun will.«
    Michel erhob sich, schnallte den Gürtel fester und schlug mit der Linken auf den Säbelknauf. »Hamid, der Säbel bleibt an meiner Seite, bis einer kommt, der mir fünftausend Piaster dafür bezahlt. Wir danken dir für deine Bewirtung und bitten dich, uns nun zu entlassen; denn die Sonne steigt immer höher.« Der Araber sprang erschrocken auf.
    »Bei Allah, Ihr werdet doch nicht so einfach davon-reiten! Ich gebe dir tausend für den Säbel, auch wenn ich dadurch ein ruinierter Mann bin.«
    »Ich will nicht, daß du dich ruinierst. Behalte also deine tausend, und ich behalte den Säbel.« Ojo, Steve und Isolde hatten sich ebenfalls erhoben. Michel machte Anstalten zu gehen. Hamid vertrat ihm den Weg. »Zweitausend«, seufzte er.
    »Wenn du bei tausend schon ruiniert bist, wie kannst du mir dann zweitausend bieten? Dein soeben genesener Sohn müßte ja Hungers sterben, wenn du dein ganzes Geld weggibst.« »Du willst ihn mir auch nicht für zweitausend geben?« »Nein. Fünftausend und keinen Piaster weniger.« »Warte. Ich bin gleich zurück. Versprich mir beim Bart des Propheten, daß du mit deinen Gefährten nicht enteilst.« »Ich verspreche es.«
    Hamid kam nach drei Minuten mit einem schweren Säckchen wieder und warf es auf den Tisch.
    »Fünftausend«, rief er halb weinend. »Es ist mein ganzes Vermögen. Meine Familie wird darben, meine Enkel werden mich dafür noch verfluchen, und meine Seele wird selbst im Grabe keine Ruhe finden. Aber Allah will, daß ich meinen Freunden helfe.«
    Michel nahm den Beutel auf und wog ihn in der Hand. Dann stülpte er ihn plötzlich um und schüttete den Inhalt auf den Boden.
    Es waren lauter runde Goldstücke zu je zwanzig Piaster.
    »Zählt sie«, sagte Michel zu Steve und Ojo. »Ich möchte sehen, ob uns der Kerl nicht betrogen hat.«
    »Glaubst du nicht, daß ich ehrlich gegen dich bin?« fragte Hamid empört.
    »Das werden wir in ein paar Minuten festgestellt haben. Ich möchte nicht, daß vielleicht durch ein Versehen von dir späterhin ein Schatten auf die Erinnerung an dich fällt.«
    »Du bist schlimmer als ein Armenier.«
    »Es fehlen zwanzig Goldstücke«, sagte Steve auf englisch.
    »Kommt«, wandte sich Michel an seine Gefährten,

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