Kerker und Ketten
kenne einen. Ich bin selbst der Mann. Und ich zahle die besten Preise in der ganzen Gegend.«
»Bezahlst du gleich und bar?« »Ja, ja. Zeige mir die Steine.«
Michel ließ sich den Säbel geben, den sie beim Daj von Algier erbeutet hatten, und hielt ihn dem Händler vor die Nase. Der Kerl brach in Rufe des Entzückens aus.
»O Allah, ich gebe dir zehn Piaster für jeden Stein. Fünfhundert, wenn du mir den ganzen Säbel verkaufst.«
Jetzt lachte Michel auf.
»Du Gauner, der Säbel ist wenigstens fünftausend wert! Aber gib dir keine Mühe. Du bekommst nicht einen einzigen Brillanten. Bete zu Allah und seinem Propheten, daß er dich nicht auch einmal krank werden läßt. Dir würde ich nicht helfen, um nichts in der Welt, verstanden? Du bist ein Geizhals, wie ich bisher noch keinen gesehen habe.« »So willst du mir tatsächlich keine Steine verkaufen?«
»Nein und nochmals nein! Vielleicht finde ich noch einen armen, aber anständigen Juden. Dem werde ich sie schenken. So, und nun laß uns in Ruhe. Ich habe deinen Jungen gesund gepflegt und werde mit meinen Freunden diese Nacht noch in deinem schmutzigen Stall bleiben. Morgen früh reiten wir weiter.«
Isolde hatte ihrem Bruder einerseits und Ojo andererseits das Gespräch verdolmetscht. »Recht so«, meinte Ojo, »oft will mir scheinen, als stecke der ganze Orient voller Gauner. Warum wollen wir erst morgen früh reiten?«
»Weil ich heute nachmittag noch ein paar Steine in der Stadt verkaufen muß. Außerdem bricht ein Araber nie vor dem Morgengebet auf. Du und ich, Diaz, gelten aber hier noch als solche. Richte dich danach. Man soll nie die Sitten eines Landes verletzen, in dem man sich gerade befindet.«
25
Das Morgengebet war vorüber, als Michel seine Gefährten weckte.
»Auf, Freunde, laßt uns keine Zeit verlieren. Jetzt können wir reiten.«
Die Sonne war inzwischen schon ein beträchtliches Stück über den Rand des Horizonts gestiegen.
Die vier waren bereit. Gerade, als sie aus dem Hof reiten wollten, vernahmen sie vom Hintereingang des Hauses her die Stimme des Dieners Halef.
»Bei Allah«, rief er, »sie reiten einfach fort, ohne sich von ihren Gastgebern zu verabschieden! Hallo, ihr Satanssöhne, wollt ihr nicht warten, bis Euch mein Herr entläßt?« Der Pfeifer drehte sich um und stieß ein paar fürchterliche Pfiffe aus. Sie waren so laut, daß sie bis in das Innere des Hauses drangen.
»Sage deinem Herrn, daß wir auf seine Abschiedstränen keinen Wert legen«, rief er dann. »Wenn er es mit der Gastfreundschaft ernster gemeint hätte, so wäreer längst wach, um uns das Geleit zu geben. Da er aber sicherlich noch immer den Schlaf aller ungerechten Fettwänste schläft, so kann er nicht erwarten, daß wir hierbleiben, bis es ihm beliebt, herauszukommen.« »Meine Freunde!« erscholl da die laute Stimme Abd el Hamids, »welche Trauer durchzieht mein Herz, daß ich euch so scheiden sehe ohne einen Gruß und ohne meine Segenswünsche. Wartet! Ihr sollt nicht ohne gefüllte Mägen auf die Reise gehen. Ich lasse euch Cous-Cous machen. Tretet in mein Haus! Abd el Hamid ist ein dankbarer Mensch.« Michel zögerte.
»Was will er?« fragten Ojo und Steve.
Michel übersetzte das Gesagte ins Spanische. Isolde verständigte ihren Bruder in ihrer Muttersprache.
Die vier Pferde standen unbeweglich im Hoftor, die drei Männer und das Mädchen sahen sich erstaunt an. Niemand wußte, was er von dem plötzlichen Gesinnungswechsel Abd el Hamids halten sollte.
»Das verstehe ein anderer«, brummte Ojo. »Gestern war er froh, uns loszuwerden, und heute stellt er sich so an, als würden seine besten Freunde für alle Zeiten von ihm scheiden. Trau einer diesen Gaunern.«
»Wir sollten uns nicht um seine Einladung kümmern«, sagte Steve ungeduldig. »Ich traue dem Frieden nicht. Ich habe das Gefühl, als sei eine Teufelei im Gange.« »Eine Teufelei nicht gerade«, meinte Michel, »ich vermute eher ein Geschäft, das er uns anbieten will.«
»Wir würden ihn tödlich beleidigen, wenn wir seine Einladung zum Frühstück ablehnten«, sagte Isolde, die mit den arabischen Sitten am besten vertraut war.
»Das wäre mir in diesem Fall gleichgültig«, erwiderte Michel. »Er hat sich so benommen, daß wir ihm keine Höflichkeit schuldig sind. Dennoch reizt es mich zu wissen, was er eigentlich damit bezweckt. Außerdem könnte uns ein gutes Frühstück nicht schaden. Steigt ab. Wir gehen frühstücken.«
Hamid stand noch immer in der Eingangstür. Als er
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