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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Sohn zu Allah schicken. Ein Glück, daß ich rechtzeitig auf das weiße Pulver in der Kohle aufmerksam geworden bin.«
    Der Hekim war bleich geworden. Mit stammelnden Worten versuchte er, seine Unschuld zu beteuern. Man konnte ihm nichts nachweisen.
    Abd el Hamids Augen aber funkelten gefährlich, als er sich dem Hekim näherte, der noch immer in Michels Fäusten hing.
    »Du«, zischte er, »du — wolltest — meinen — Sohn ermorden, nur, um deinen betrügerischen Beruf weiter ausüben zu können! Hei, du sollst in den nächsten zehn Wochen keine Gelegenheit mehr haben, auch nur einen Schritt zu gehen! Halef!« schrie er zornrot.
    »Halef, schnalle den Halunken auf den Bock und gib ihm hundert Schläge über die Fußsohlen!« »Gnade! — Gnade!« wimmerte der Arzt jetzt. »Herr, gib mir nur fünfzig, hundert überlebe ich nicht! Oh Allah, ich werde verkrüppelte Füße behalten, wenn du mich so marterst! Gnade! — Gnade!«
    Michel zog die Stirn in Falten. Er hielt die Bastonnade für eine gräßliche, ja, unmenschliche Strafe. Dennochsagte er kein Wort, um dem Verbrecher beizustehen. Wer um eines eigenen Vorteils willen ein Kind ermorden wollte, der hatte noch mehr verdient als nur verkrüppelte Füße. -
    Nach vier Tagen verließ der kleine Hamid zum erstenmal das Bett. Er war noch ein bißchen schwach, erholte sich aber sehr schnell.
    »Hallo, Mr. Baum«, sagten die beiden Hawburys, die im Stall auf sauberem Stroh lagen, »habt Ihr nun auch einmal wieder ein wenig Zeit für uns?« Ojo meinte:
    »Senor Doktor, wie ist das, bekommen wir wenigstens neue Kleider von dem geizigen Kerl?« »Ich denke schon«, lachte Michel, »macht Euch so langsam fertig. Morgen, hoffe ich, können wir dieses schmutzige Nest verlassen. Dann werden wir auch wieder ein wenig Geld in der Tasche haben.«
    »Habt Ihr schon mit Abd el Hamid verhandelt, wie er uns am besten behilflich sein kann, die Reise fortzusetzen?«
    »Noch nicht. Aber ich werde es jetzt tun.«
    Abd el Hamid kam in strahlender Laune über den Hof auf den Stall zu. Als er Michels ansichtig wurde, blieb er stehen und meinte:
    »Ich weiß zwar nicht, wer du bist. Aber mein Dank und Allahs Segen werden dich begleiten.
    Hier nimm. Das soll dein Lohn sein, dafür, daß du meinen Sohn gerettet hast.«
    Er warf Michel einen klingenden Beutel hin, und dieser fing ihn geschickt auf.
    Michel wußte, daß er sich nichts vergab, wenn er fragte, wieviel der Beutel enthielt.
    »Fast zweihundert Piaster«, sagte Abd el Hamid in einem Ton, als ob er ihm die ganze Welt zu Füßen legte.
    Michel krauste die Stirn.
    »Zweihundert? Mann, du gabst diesem verräterischen Hekim vierhundert dafür, daß er deinen Sohn seelenruhig sterben lassen wollte. Und mir wagst du zweihundert anzubieten?« »Beim Bart des Propheten«, fiel Abd el Hamid in einen klagenden Ton, »ich bin ein armer Mann. Ich kann nicht mehr geben, als ich habe.«
    »Ich wußte nicht, daß in deiner Seele der Geiz wohnt«, antwortete Michel ungerührt. »Ich werde überall erzählen, wo ich hinkomme, daß Abd el Hamid für das Leben seines Sohnes nicht mehr als zweihundert Piaster bezahlt hat. Nun gut, ich will nicht mehr erbitten. Aber du mußt uns noch mit Kleidern versorgen. Wie du siehst, sind meine Freunde und ich abgerissen wie Landstreicher. Können wir neue Burnusse haben?« Abd el Hamid machte eine abwehrende Geste.
    »Allah, bist du ein Arzt oder ein Geldschneider? Willst du mich um meine letzte Habe bringen? Ich bin doch kein Jude, daß ich mit mir handeln lasse.«
    »Nein, fürwahr«, meinte Michel, »ein Jude bist du nicht. Es war vor kurzer Zeit, da hat mir ein Jude das Leben gerettet, ohne nach Bezahlung zu fragen, um Gottes Lohn. Ich konnte ihm nur wenig geben; denn ich hatte nur einige Brillanten.«
    »Oho, willst du mich beleidigen? Die Juden sind schlimmer als die Christen, die Allah verfluchen möge! Wie kannst du einem Juden Brillanten geben und nun von mir Bezahlung fordern für eine Sache, die du getan hast, weil es deine Pflicht war?«
    Michel streckte die Waffen vor dieser Logik. Er sah, daß es hier kaum noch etwas zu holen gab.
    Diese Araberwaren mehr als hartnäckig, wenn es darum ging, eine Schuld zu begleichen, die man nicht durch Wechsel oder sonstige Schuldverschreibungen belegen konnte.
    »Aber wir brauchen mehr Geld«, versuchte es Michel noch einmal. »Kennst du jemanden, der mir hier in der Stadt einige Brillanten abkaufen würde?«
    Die Miene Abd el Hamids klärte sich auf.
    »Ja, ich

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