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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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die Säcke mit dem Hanf auszuhändigen. Der sah ihn erstaunt an. »Ich gab sie dir doch bereits, als du hier ankamst.« Michel war verblüfft.
    »Das ist ein Irrtum«, meinte er in ehrlicher Entrüstung, »ich warte schon seit Stunden darauf. Hätte ich die Waren erhalten, so wäre ich längst über alle Berge.«
    Der Araber schüttelte den Kopf.
    »Hier in der Tasche meines Burnus habe ich die Papiere, auf denen dein Herr den Empfang der Ware quittiert hat. Also mußt du sie haben. Wenn nicht, so ist das nicht meine, sondern deine Schuld.«
    Michel sprang auf. Auch Ojo erhob sich. Obwohl er kein Wort verstanden hatte, mochte er doch fühlen, daß sich im nächsten Augenblick etwas ereignen würde.
    »Ich habe keine Ware von dir erhalten. Du bist ein erbärmlicher Lügner. Gib mir die Säcke, oder ich werde dich für deine Unverschämtheit züchtigen.«Der Araber erhob sich ebenfalls. Auch seine Begleiter, vier an der Zahl standen auf. Plötzlich hielten sie Messet in den Händen. »Mach, daß du wegkommst!« schrie der Anführer, »dein Herr ist ein räudiger Hund, der seine Schulden nicht bezahlt. Wir haben uns das unsere genommen. Wenn du mit uns einen Kampf beginnen willst, so wirst du von vornherein der Unterlegene sein. Maschallah, was bist du für ein Esel, die Quittung aus der Hand zu geben!«
    Michel sah ein, daß er nicht richtig gehandelt hatte. Auch in Europa gibt kein Mensch eine Quittung aus der Hand, bevor er die darauf quittierte Ware empfangen hat. Diese einfache Weisheit hatte Abd el Hamid auch bei ihm vorausgesetzt. Besondere Anweisungen waren nicht ergangen. Aber was hatte es zu bedeuten, daß dieser Mann behauptete, Hamid sei ein räudiger Hund, der seine Schulden nicht bezahle?
    Plötzlich ging dem Pfeifer ein Licht auf. Die Männer, die ihm hier gegenübersaßen, waren gar nicht die Händler, sondern wahrscheinlich die Helfer des Konkurrenten, die sich bereits der Säcke bemächtigt hatten, noch bevor er, Michel, mit den eigentlichen Lieferanten verhandelt hatte. Wie das vonstatten gegangen sein konnte, war ihm im Augenblick unerfindlich. Es spielte auch keine Rolle. Er hatte die Waren nicht. Aber er durfte nicht ohne den Hanf nach Hause kommen, wenn er in den Augen seines Gastgebers ehrlich bleiben wollte. Er warf Ojo einen schnellen Blick zu. Plötzlich stieß er einen Pfiff aus, der die Männer, die ihn mit den Messern bedrohten, zusammenfahren ließ.
    Gleich darauf ließ er noch eine ganze Reihe seiner gräßlichen, schrillen Triller hören. Und dann hatte er auch schon sein Gewehr in der Hand und brachte es in Anschlag. »Schejtan«, brüllte der Anführer. »Die Kerle sind bewaffnet! Aber du bist ein Verrückter, wenn du glaubst, daß du uns mit deiner Flinte Angst einjagen könntest. Einmal kannst du schießen. Bevor du wieder geladen hast, werden wir über dir sein und dir die letzten Funken deines überflüssigen Lebens ausblasen.«
    »Gib die Ware heraus, Schurke«, entgegnete ihm Michel ruhig, »oder ich werde euch in Sekundenschnelle allen eine Kugel in den Kopf jagen.«
    »Aufschneider«, sagte der Araber grimmig, wagte aber doch nichts zu unternehmen, da er damit
    rechnen mußte, daß der eine Schuß womöglich ihn treffen würde.
    »Diaz, geh hinaus und sieh nach, ob die Säcke irgendwo liegen. Ich werde die Burschen mittlerweile in Schach halten. Wenn du etwas hörst, so komm herbei und hilf mir.
    »Si, Senor Doktor«, nickte der Brave und wandte sich dem Ausgang der Hütte zu, aber dem hinteren, der auf den Hof führte.
    »Was habt ihr da in einer Sprache zu reden, die wir nicht verstehen?« fragte der Anführer heftig.
    »Das geht dich nichts an. Wir reden, wie es uns paßt, verstanden?«
    Als Ojo die Hütte verlassen hatte, wollte einer der Männer hinter ihm her.
    »Halt«, donnerte Michel. »Rühr dich nicht vom Fleck!«
    Der Mann gehorchte nicht.
    Michel riß seine Muskete an die Wange und feuerte. Der Getroffene wälzte sich stöhnend am Boden und umklammerte mit beiden Händen seine rechte Wade, in die ihm die Kugel aus nächster Nähe gedrungen war.Ein zweiter wollte sich nun auf den Pfeifer stürzen. Doch dieser hatte im Bruchteil einer Sekunde die Läufe seines Gewehrs weitergedreht und feuerte nochmals. Auch der zweite fiel zu Boden. Michel gab einen weiteren Schuß ab, um den Burschen zu zeigen, daß er schießen konnte, auch ohne zwischendurch zu laden. Der Erfolg blieb nicht aus. Die Kerle gaben keinen Ton von sich, sondern starrten ihn mit aufgerissenen Augen

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