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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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»wir tun so, als wollten wir gehen. Ich bin doch gespannt, wie der Kerl reagiert.«
    Sie wandten sich wortlos dem Eingang zu und ließen die am Boden liegenden Münzen unbeachtet.
    Hamid hing auf einmal am Burnus des Pfeifers.
    »Maschallah, weshalb gibst du mir nicht den Säbel und nimmst dir die Goldstücke?« »Es fehlen zwanzig«, sagte Michel trocken. »Haben sich deine Leute auch nicht verzählt?« »Nein, bestimmt nicht.«
    »Entschuldige, dann muß ich mich geirrt haben. Warte nochmals einen Augenblick. Ich hole die zwanzig.«
    »Ich denke, in diesem Sack war dein ganzes Vermögen?«
    »Ja, schon, aber ich habe noch Geld von einem Freund in Verwahrung. Er wird mich verfluchen, er wird mich verwünschen, er wird mich vielleicht gar erschlagen. Aber das ist Allahs Wille. Warte, ich hole den Rest.«
    Er sammelte hastig die Geldstücke vom Boden, steckte sie in den Sack und rannte dann hinaus. »Man muß bei diesen Burschen hartnäckig sein«, sagte Michel, »sonst kann man keine ehrlichen Geschäfte mit ihnen machen. Ich bin überzeugt davon, daß der Säbel in Wirklichkeit viel mehr wert ist. Aber wir brauchen Geld und haben vielleicht nicht immer Zeit, uns mit dem Umtausch von einzelnen Edelsteinen zu befassen.«
    Hamid kam wieder. Michel warf ihm einen prüfenden Blick zu. Er überlegte. Sollte er den Inhalt nochmals zählen oder sollte er glauben, daß die Summe jetzt stimmte? Er entschloß sich für das erstere. Wieder klimperten die Münzen auf den Boden. Und wieder fehlten ein paar. Hamid sammelte abermals alles ein, rannte fort und kam gleich darauf zurück. Diesmal war alles in Ordnung.
    Michel übergab ihm den Säbel. Hamid hielt ihn fest in der Hand, als fürchte er, daß er ihm zu guter Letzt doch noch abgenommen werden könnte. Mit gierigen Blicken betrachtete er die Edelsteine.
    Michel befestigte den Beutel am Gürtel. Hamids funkelnde Augen verfolgten jede seiner Bewegungen, als wollte er sich genau merken, an welcher Stelle der Beutel hing. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte er sich dann ins Haus.
    »So ein Bursche«, meinte Ojo kopfschüttelnd, »jetzt verabschiedet er sich nicht einmal! Ein Benehmen haben diese Araber!«
    »Mach dir nichts daraus«, antwortete Michel, »uns kann es gleichgültig sein, ob er sich verabschiedet oder nicht. Wahrscheinlich haben ihm die Steine für einen Moment den Geist verwirrt. Und die Hoffnung auf den Riesengewinn, den er daraus zu erzielen hofft, wird ein übriges getan haben.«
    Endlich stiegen sie auf ihre Pferde und ritten aus dem Hoftor.

26
    Abd el Hamid rannte wie von einer Tarantel gestochen durch die Gänge seines vornehmen Hauses. Den Säbel hielt er mit beiden Händen vor der Brust umklammert. An einem vergitterten Fenster des oberen Stockwerkes machte er halt und blickte auf den Hof hinunter. Er kam gerade noch recht, um zu sehen, wie die vier auf die Gasse hinausritten und sich dann nach Westen wandten.
    Jetzt lief Hamid zu einer Truhe, zog einen schweren silbernen Schlüssel aus irgendeiner Falte seines Burnus und öffnete sie. Sorgfältig verpackte er den Säbel in ein Samttuch und versenkte das Päckchen mit einer fast liebevollen Andacht in die Tiefe des großen Holzkastens. Dann klappte er den Deckel zu und ging aus dem Zimmer.
    »Halef!« brüllte er draußen mit dem Aufwand seiner ganzen Stimmkraft, »Halef! Daß dich Allah
    verderben möge, du Hundesohn, du Herumtreiber, wo steckst du denn, Halef!«
    Nach wenigen Sekunden stand der Diener schweißtriefend vor ihm.
    »Hier bin ich, Herr. Ich kann nicht an zwei Stellen zugleich sein!«
    »Still! Du hast mir nicht zu widersprechen. Erzähle mir jetzt, was du erreicht hast!«
    Halef fuhr sich mit einem Zipfel seines schmutzigen Burnus über das Gesicht, um die Schweißperlen abzuwischen.
    »Wie kann ich dir berichten, wenn du mir doch soeben noch befohlen hast, still zu sein?« »Esel, treibe mich nicht zur Verzweiflung! Hast du eine Bande zusammen?« »Ja, Sayd.«
    »Oh, daß Allah diese Halsabschneider verderben möge! Fünftausend Piaster haben sie mir abgegaunert, die Halunken.«
    »Du hättest ja den Säbel nicht zu kaufen brauchen«, erwiderte Halef wenig respektvoll. »Oh, du Kamel, Allah hat dir den Verstand verwirrt! Es war das beste Geschäft meines Lebens. Ich werde ihn für zwölftausend Piaster wieder verkaufen.« »Dann ist doch alles gut.«
    »Gut? Nichts ist gut. Konnte mir der Prophet nicht helfen, den Säbel in die Hand zu bekommen, ohne daß ich etwas dafür hätte

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