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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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nicht auf irgendeine Weise mit ihnen einigen, so werden sie uns zu ihrem Dorf schleppen. Nehmt die Gewehre in Anschlag, macht euch schußbereit und seid aufmerksam. Wir werden zuerst feststellen, wieviele wir unter Umständen gegen uns haben.«
    Sie ritten im Schritt weiter. Keine fünfhundert Meter trennten sie mehr von dem Felsvorsprung. So sehr sich Michel auch anstrengte, er konnte jetzt keine Bewegung mehr wahrnehmen. »Ihr werdet Euch getäuscht haben, Mr. Baum«, sagte Steve und legte sein Gewehr wieder quer über den Sattel.
    Michel gab ihm keine Antwort. Insgeheim ärgerte er sich ein wenig über den langen Engländer, der, je näher er dem Ziel seiner Reise kam, zeigen zu müssen glaubte, daß er sich nicht gern den Anordnungen eines anderen unterordnete.
    Als sie den Felsen fast erreicht hatten, knatterte ihnen eine Salve entgegen. Dann lag schlecht gezieltes Einzelfeuer über ihnen.
    Michel war als erster vom Pferd und zwang das Tier, sich niederzulegen. Es sollte ihm als Deckung dienen. Die anderen folgten seinem Beispiel.
    Steve Hawbury schoß bereits dorthin, wo er Pulverdampf aufsteigen sah.
    »Wer hat Euch gesagt, daß Ihr schießen sollt, Steve?«, fragte der Pfeifer unwillig. »Wir haben
    nicht soviel Pulver, daß wir sorglos mit unseren Vorräten umgehen könnten.«
    Steve biß die Zähne zusammen und stellte das Feuer ein.
    Die Räuber auf dem Kamm des Felsens mochten sich wundern, weshalb ihre Schüsse nicht mehr erwidert wurden; denn nach verhältnismäßig kurzer Zeit schwiegen auch ihre Flinten. »Ich bin dafür, daß wir sie mit Schnellfeuer eindek-ken«, sagte Steve. »Ihr könnt doch sechsmal hintereinander schießen, Mr. Baum. Inzwischen bleibt uns Zeit, jedesmal sorgfältig zu laden. Wenn wir sie niederhalten können, kann vielleicht einer nach dem anderen durchbrechen.« »Warten wir ab«, entgegnete Michel. »Wir müssen die besseren Nerven haben. Solange wir sie nicht aus ihrer Deckung locken können, hat das Schießen keinen Zweck. Ich jedenfalls verschwende meine Kugeln nicht, wenn sich mir kein Ziel bietet.«
    »Pah«, sagte der lange Engländer, »ich bin lange genug in Seiner Majestät Armee gewesen, um zu wissen,wie man so etwas macht. Angriff ist die beste Verteidigung. Das ist eine alte Soldatenweisheit.«
    Michel wandte sich hinter dem Rücken seines Pferdes langsam um, bis er Steve sehen konnte. »Ich halte nicht viel von Soldatenweisheit. Ich habe meine eigenen Erfahrungen, und die haben mich bisher noch nie im Stich gelassen. Hinzu kommt, daß wir vier Leute sind und keine Armee.
    In unserem Fall ist es besser, sich auf den gesunden Menschenverstand zu verlassen als auf Seiner Majestät Exerzierreglement.«
    »Ihr verspottet den englischen König, Mr. Baum«, sagte Steve scharf. Michel blieb ruhig.
    »Ihr wißt selbst, daß mir nichts ferner liegt als so etwas. Ihr seid ein Hitzkopf, Steve.«
    »Ich verbitte mir so etwas«, redete sich Steve in Wut. »Macht, was Ihr wollt, von mir aus könnt Ihr hier untätig liegen bleiben. Ich wage den Durchbruch.«
    »Ihr tut, was ich sage.«
    »Ich denke nicht daran.«
    »Sei doch vernünftig, Steve«, sagte seine Schwester. Steve sprang empört aus seiner Deckung auf.
    »Ich will nicht vernünftig sein. Ich bin ein Mann und kann meine eigenen Wege gehen!« schrie er laut.
    Sein Pferd sprang auf. Und ehe die anderen noch recht begriffen hatten, was geschah, ritt der lange Engländer in höllischem Tempo auf die Enge zwischen Schott und Felsen zu.
    Ojo, der von der in englischer Sprache geführten Auseinandersetzung nichts verstanden hatte, wollte ebenfalls aufspringen, weil er dachte, daß man in der Aufregung .vergessen habe, ihn zu unterrichten.
    »Bleib liegen, Diaz! Er ist verrückt. Wir wollen sehen, ob wir ihn von hier aus decken können. Sobald sich einer der Wegelagerer über der Felskante blicken läßt, wird geschossen.«
    Es rührte sich nichts. Die Räuber schienen keine Anstalten zu machen, ihre Lage zu verändern. Der Wind hatte jetzt etwas nachgelassen, ein sicheres Zeichen, daß nun bald der Regen einsetzen würde.
    Michel horchte in die Stille. Plötzlich hörte er fernes Pferdegetrappel. Und dann konnten alle drei sehen, wie hinter dem Felsvorsprung drei — vier — fünf — sechs Reiter auftauchten und sich dem wie rasend reitenden Steve entgegenwarfen. Im Nu hatten sie ihn umringt. Michel und Ojo wagten nicht zu schießen, da sie bei der Entfernung nicht sicher sein konnten, daß ihre Kugel nicht zufällig Steve

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