Kerker und Ketten
deine Provision schon abgezogen, wie?«
Hamid schüttelte verdutzt den Kopf. Tatsächlich, da waren einige Steine aus ihren Fassungen gebrochen! Aber das minderte den Wert des ganzen Stückes durchaus nicht. Der Gouverneur war ein schlauer Fuchs und wahrscheinlich ein noch besserer Geschäftsmann als Hamid.
»Ich geb dir zehntausendfünfhundert dafür, Hamid. Und ...« »Und ...?« warf der Araber gespannt ein.
»Ich werde dir in Zukunft in noch größerem Maße behilflich sein, wenn du zum Beispiel Hanf nach Europa verkaufen willst.«
»Ich zu Hause große Ladung, vier Ballen. Du wissen Schiff, was kann mitnehmen und hat Kapitän, der kann bezahlen?« Der Gouverneur nickte.
»Bringe die Ballen zum Hafen. Morgen läuft ein Kauffahrer mit Soldaten an Bord aus. Da ist die Ware am sichersten.«
»Danke«, sagte Hamid. »Du dafür Säbel für zehntausend. Ich nichts verdienen an Freund.« Don Hernando klopfte seinem großzügigen Partner auf die Schulter. Und Hamid, der trotz allem noch ein gutes Geschäft gemacht hatte, taten diese fünfhundert Piaster nicht weh. Es gab ungeschriebene Gesetze, nach denen auch der sparsamste und knauserigste Kaufmann seinen Geiz überwinden muß, um später um so größere Gewinne zu erzielen. Die fünfhundert Piaster waren Geschäftsunkosten.
Der Gouverneur ließ das Geld bringen, aus der Steuerkasse übrigens; denn schließlich, warum sollte man ein Geschenk für den König nicht aus öffentlichen Mitteln bezahlen? Als sich die beiden trennten, sagte Don Hernando zum Abschied:
»Du kannst dich immer auf mich verlassen, Hamid. Du weißt, wenn du meine Hilfe brauchst, bin ich für dich da.«
»Selbst Leim von Dattelsaft nicht so guter Kitt wie Geschäft«, grinste Hamid und machte einen unterwürfigen Kratzfuß.
Als er auf dem Bock seiner Kutsche saß, lag noch immer ein Lächeln der Zufriedenheit mit sich selbst und der Welt auf seinem Gesicht.
30
Als Halef glaubte, daß ihn der Herr der Berge nicht mehr einholen könnte, mäßigte er für einen Augenblick das Tempo seines Rittes und ließ sein Pferd im Schritt gehen. Plötzlich aber schoß er wieder im Galopp davon und trieb sein Tier zu immer größerer Eile an. Sein Herr sollte den Eindruck haben, daß er sich wirklich abgehetzt habe, um ihm die betrübliche Nachricht zu überbringen. Um eine solche Vorstellung zu geben und dabei echt zuwirken, war es am besten, man lebte sich in seine Rolle hinein.
So jagte er dahin wie vom Teufel getrieben und hielt nicht eher an, bis er zu Hause war. Dort sank er buchstäblich vom Pferd, gönnte sich aber keine Sekunde Zeit, um sich zu erholen, sondern suchte sofort Hamid auf, der gerade von seinem Besuch beim Gouverneur zurückgekommen war.
Abd el Hamid saß selbstzufrieden auf einem Diwan im Selamlik und schmauchte Tabak aus einer kostbaren Wasserpfeife. Unwirsch sah er auf, als er so jäh aus seinen Betrachtungen gerissen wurde.
»Bist du verrückt, hier hereinzustürmen wie ein Pferd, das durchgegangen ist?« »Sayd«, stotterte der Diener verlegen. »Sayd, ich habe dir eine schreckliche Nachricht zu überbringen.« Er machte eine Kunstpause.
»Du hast das Geld nicht?« Die Frage schoß förmlich auf Halef zu.
»Nein... nein... es war unmöglich. Wir lauerten ihnen auf. Wir fielen am Schott über sie her. Wir waren wie der Sturmwind. Aber plötzlich lagen meine Helfer tot am Boden. Wie das geschah, kann ich nicht mehr sagen. Ich sah mich allein und ergriff die Flucht. Der Mann, der so schreckliche Töne von sich gibt, muß mit dem Schejtan im Bunde sein. Er stand da wie der Racheengel Allahs. Nur mühsam gelang es mir, seinen würgenden Händen zu entkommen. Wahrscheinlich war es nur möglich, weil er schon genug Blut gesoffen hatte. Entsetzlich ... entsetzlich.«
Halefs Schilderung war so drastisch und dramatisch, daß Hamid nicht einen Augenblick Zweifel an ihrer Echtheit hegte. Dennoch brauste er auf.
»Du bist unfähig, du Esel, du Sohn eines Kamels, du hirnloses Faultier. Hättest du nicht aus sicherer Entfernung schießen können? Hättest du nicht deinen Genossen sagen können, sie sollten sich versteckt halten, bis ihr die ganze Gesellschaft im Visier gehabt hättet? Oh Allah, du hast mich mit dem dümmsten Diener geschlagen, den es geben kann! Fünftausend Piaster verloren ... fünftausend! Oh, hätte ich mich nie auf diesen Handel eingelassen! Hätte ich dir nie vertraut!«
»Aber«, wagte Halef einzuwenden, »du besitzt doch noch den Säbel, der ist viel mehr
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