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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Diener den Beutel zuwarf. Kauf dir die fünf Jahre für den Inhalt des Beutels. Allah und der Schejtan lassen sich nicht von einem Hamid betrügen.« Es war zweifellos ein Fehler des Vermummten, daß er sich auf ein so langes Gespräch mit Hamid eingelassen hatte. Denn Hamid schloß daraus, daß der »Todesengel« ein sehr menschlicher Engel sein mußte, mit dem man zumindest verhandeln konnte. Da fiel ihm ein, daß Halef bereits von dem einen Reisenden erzählt hatte, daß er schreckliche Töne von sich gebe. Das Pfeifen klang in seinen Ohren nach. Und hatte dieser »Todesengel« den Reisenden nicht selbst Pfeifer genannt? Hamid kombinierte gut.
    »Ich habe das Geld nicht«, sagte er. »Du kannst dich auf den Kopf stellen und dem Schejtan einen schönen Gruß ausrichten, daß er es doch genau wissen müßte. Wenn nicht, soll er Allah fragen. Der ist allmächtig und allwissend. Du aber bist ein Lügner; denn du kannst nicht gesehen haben, wie meinem Diener das Geld übergeben worden ist, da Halef nämlich auf dem schnellsten Wege die Flucht vor der schrecklichen Gestalt des Fremden ergriff, der im übrigen fünf Leute mit seinen bloßen Händen erwürgt hat.«
    Michel Baum wurde unsicher. Er hatte sich diese späte Stunde zu einem Überraschungsvorstoß ausgesucht, weil er mit Recht annehmen durfte, er könne den abergläubischen Hamid verblüffen. Er wollte feststellen, ob Halef die Wahrheit gesprochen hatte, als er behauptete, er habe den Überfall auf Geheiß seines Herrn ausgeführt.
    Der Pfeifer machte einen weiteren Versuch der Überrumpelung. Er trat plötzlich dicht an den Diwan, zog das Tuch vom Gesicht und legte die Hände mit klammerndem Griff um den Hals des Kaufmanns. Der erkannte ihn, war aber nicht in der Lage, einen Schrei auszustoßen, da er dazu nicht genug Luft hatte. Röchelnd schloß er für einen Moment die Augen, um sie dann umso größer aufzureißen.
    »Du wirst mir jetzt die Wahrheit sagen«, zischte Michel. »Du hast deinen Diener zu dem Raub angestiftet, sonst wüßtest du gar nichts von der Sache. Das Märchen, das du mir da auftischen willst, ist zu schlecht, als daß es Eindruck auf mich machen könnte. Sag die Wahrheit, sonst ist es um dich geschehen.«
    Hamid dachte angstvoll an den Bericht Halefs. Wenn der Pfeifer fünf Mann im Handumdrehen erwürgt hatte, so würde er wahrscheinlich auch mit ihm nicht viel Federlesens machen. Unter dem Druck der sehnigen Hand stöhnte er:
    »Du willst mich erpressen. Du willst mich zwingen, dir nochmals fünftausend Piaster zu zahlen. Aber ich habe kein Geld mehr. Ich kann dir auch nichts geben, wenn du noch so sehr drückst. Ich bin ein armer Mann.«
    Wenn es um Geld ging, war Hamid ein mutiger Mann, der sich auch nicht durch Drohungen einschüchtern ließ.
    »Gut«, sagte der Pfeifer, »du magst lügen, soviel du willst. Ich glaube dir kein Wort. Ich töte auch nicht gern einen Menschen! Merk auf, du weißt, daß ich ein Hekimbin; denn ich habe deinen Sohn gesund gemacht. Aber ich kann auch krank machen«, setzte er mit erhobener Stimme hinzu. »Wenn ich nicht in fünf Minuten mein Geld wiederhabe, dann wird sich dein Sohn erbrechen. Ich werde das alte Leiden in seinen Körper zurückverpflanzen. Entscheide dich schnell.« Er ließ ihn los.
    Hamid starrte ihn angstvoll an. Er hing an seinem Sohn, dem einzigen Erben all seiner errafften Reichtümer, mit unbeschreiblicher Liebe.
    »Das darfst du nicht! Ich schwöre dir, daß ich das Geld nicht habe. Ich schwöre es beim ...«
    »Halt, du Gauner, schwöre keinen Meineid! Der Blitz wird dich treffen, wenn du die Wahrheit im Namen Allahs verleugnetst.«
    »Ich schwöre es beim Leben meines Kindes, daß ich das Geld nicht habe.«
    Michel sah ihn prüfend an. Er wußte, daß selbst Hamid keinen solchen Meineid leisten würde — beim Leben seines Kindes, nein, das würde er bestimmt nicht tun.
    »Aber aus deinen Worten entnehme ich, daß du von dem Plan wußtest.«
    Hamid gab dies zögernd zu.
    »Allah wird mich dafür strafen. Aber ich bitte dich, schone Leben und Gesundheit meines Kindes!«
    »So hat dein Diener den Raub aus eigenem Ansporn begangen?«
    »Er wollte ihn begehen. Aber du selbst weißt am besten, daß es ihm nicht gelungen ist.« »Zum Teufel, jetzt habe ich deine Lügen satt. Halef hat mir den Beutel mit einem Trick entwendet.«
    Jetzt wurde Hamid aufmerksam. »Ist das dein Ernst?«
    »Natürlich, sonst wäre ich nicht gekommen, um ihn mir wiederzuholen.«
    »Schejtan«, schrie er da

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