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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Kasbah von deinem Ruhm verkünden soll. Sieh, ich habe euch den Weg gewiesen, den Fremden das Geld abzunehmen. Ich habe euch an den Ort geführt, wo wir sie treffen konnten. Ohne mich hättet ihr nicht einen Piaster bekommen. Geziemt es daher nicht einem, der sich mit Recht großzügig nennt, dem Führer zur Quelle wenigstens einen Tropfen Wasser zukommen zu lassen?« Der Lange rollte die Augen. »Du meinst, daß ich dir etwas abgeben soll?«
    »Es wäre ein Allah wohlgefälliges Werk. Ich werde dafür jeden Tag beim Morgengebet an dich denken.«
    »Du hast eine Zunge wie die Großmutter des Schej-tans!« Er zückte den Beutel und nahm ein paar Goldstücke heraus. »Hier!«
    Halef griff hastig danach und zählte. Es waren zweihundert Piaster.
    »Ich kann deinen Großmut doch nicht preisen«, rief er dann bedauernd. »Von fünftausend gibst du mir zweihundert! Wir sind sechs. Allein mein Anteil betrüge achthundert. Aber einen Anteil zu erhalten ist nur recht
    und billig. Großzügig wäre es, wenn du die zweihundert, die du mir soeben gegeben hast, als besonderes Zeichen deines Edelmuts zu den achthundert dazulegen würdest.« Der Lange zerrte an der Schnur des Sackes. Dann reichte er Halef zwei Hände voller Goldstücke.
    »Zahl dir die tausend ab. Was kümmern mich ein paar Piaster mehr oder weniger? Ich bin der Herr der Berge. Und du sollst meinen Ruhm verkünden.«
    Halef zählte. Zwischendurch blickte er immer wieder den anderen an. Er konnte kein Mißtrauen in dessen Zügen lesen.
    Halef s Lippen murmelten vernehmlich:
    »Siebenhundert — zwanzig — vierzig — sechzig — achtzig — achthundert.«
    Aber seine flinken Finger waren inzwischen längst bei fünfzehnhundert angekommen. Der Herr der Berge schien mit dem Rechnen auf schlechtem Fuß zu stehen.
    Halef steckte die Goldstücke eilig weg und gab dem Langen drei oder vier zurück. Das unterstrich den Eindruck der Ehrlichkeit. Er verbeugte sich tief und meinte:
    »Meine Worte werden nicht ausreichen, um deinen Ruhm zu künden und deine Klugheit zu preisen, Emir. Ich werde den Armen sagen, daß du sie beschützt und den Reichen das Geld wegnimmst, um es den Armen zu geben. Dein Großmut wird in aller Munde sein, vom Maghreb
    al-aksa bis zum Großherrn in Istanbul. Allah segne dich, Emir.«
    Der Räuberhauptmann war in seinem ganzen Leben noch nicht mit Emir angesprochen worden. Er griff sich an den dichten Bart und zwirbelte ihn mit stolzgeschwellter Brust zwischen den Fingern seiner Riesenpranken. Die Rede, die ihm Halef zum Abschied gehalten, hatte ihren Eindruck nicht verfehlt.»
    Ich habe noch selten einen so höflichen Menschen getroffen wie dich. Ich werde mich nicht scheuen, zu meinen Frauen von deinem edlen Anstand zu sprechen. Solltest du mich jemals wieder brauchen, so vertraue auf mich. Ich fechte mit dem Schwert zur Ehre des Propheten, und du fichtst mit Worten zu meiner Ehre. Salam!«
    Er ritt hochaufgerichtet zwischen seinen wartenden Gefährten hindurch und schien sich überhaupt nicht darum zu kümmern, ob sie ihm folgten oder nicht.
    Halef konnte es nicht erwarten, auf den Rücken seines Pferdes zu kommen. Kaum saß er oben, so jagte er in wilder Karriere stadtwärts. Er hegte Besorgnis, daß der andere seine Großzügigkeit vielleicht bereuen könnte.

29
    Abd el Hamid saß auf der schweren Truhe. Vor sich auf dem Schoß hatte er den Säbel liegen. Durch die vergitterten Fensteröffnungen schien das graue Tageslicht herein und wurde als helles Feuer von den Diamanten zurückgestrahlt. Hamid war entzückt. Immer wieder strichen seine Finger liebevoll über die kostbaren Steine. Er wendete den Säbel hin und her und betrachtete ihn von allen Seiten.
    Plötzlich erhob er sich, blickte einen Augenblick überlegend vor sich hin und schien dann einen Gedanken zu haben.
    Über der Truhe an der Wand hing ein Gong. Er nahm den Klöppel und schlug an die Bronzeplatte.
    Ein paar Sekunden später betrat ein Diener das Zimmer und verbeugte sich tief. »Ah, nicht du! Halef soll kommen. Gleich!« »Halef ist nicht da. Er ist. ..«
    »Keleb ibn Kelb, wo steckt der Kerl? Wo treibt sich der Hyänensohn herum? Wenn du ihn mir nicht augenblicklich herbeiholst, so lasse ich dir die Seele aus dem Leib prügeln!«
    »So prügle mich, Sayd. Halef ist nicht da, und ich weiß nicht, wo ich ihn finden kann.«
    »Maschal... ach so, Halef kann ja gar nicht da sein, du Kamel. Er ist ja in meinem Auftrag fortgeritten. Und Allah möge ihn schützen während des Rittes.

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