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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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wert als diese fünftausend Piaster. Was soll ich sagen, ich armer Wicht? Mir ist die Belohnung verloren gegangen, die du mir versprochen hattest. Fünf meiner Freunde haben ihre Seele ausgehaucht, und ich selbst bin dem Rasenden nur mit Mühe und Not entkommen. Allah hat mich geschlagen, weil ich mich in eine solche Geschichte eingelassen habe.«
    »Weil du zu dumm warst, sie zu meistern. Ich hätte es selbst tun sollen. Mir wäre er nicht entkommen, das schwöre ich dir beim Bart des Propheten. Geh hinaus. Ich werde mir überlegen, ob ich dir jemals wieder eine Aufgabe anvertrauen kann. Jetzt scher dich weg!« Halef kreuzte die Arme vor der Brust und verbeugte sich ehrerbietig. Dann machte er, daß er aus dem Zimmer kam, und ging in den Stall. Vorsichtig erklomm er die Stiege, die zum Heuboden führte, und suchte ein passendes Versteck für seine Beute.
    Als er die fünfzehnhundert Piaster verborgen hatte, murmelte er vor sich hin:
    »Allah segne deine Leichtgläubigkeit, o Hamid, und meine Schauspielkunst! Es war einer der erfolgreichsten Tage meines Lebens heute.«

31
    Die Nacht brach herein. Abd el Hamid legte sich bald nieder und freute sich des Erfolges, den ihm der heutige Tag gebracht hatte. Mochten die fünftausend Piaster verloren sein. Er hatte dennoch die gleiche Summe verdient und sich aufs neue den Gouverneur verpflichtet. Und morgen würde er abermals eine hohe Summe verdienen. Eigentlich hatte er dabei nicht einmal einen Para Risiko; denn die Hilfe Don Hernandos machte jedes Geschäft zu einer sicheren Sache.
    Er dehnte und reckte sich, wickelte sich dann den Turban ab und löschte die Öllampe.
    Leicht und beschwingt glitt seine Seele in die Gefilde des Traums hinüber. Tausende von Piastern purzelten durcheinander. Dazwischen tauchte immer wieder das wohlwollende Gesicht des Gouverneurs auf. Große, blanke Goldstücke ließ Allah vom Himmel regnen. Und siehe da, sie fielen alle in die Kasse Hamids. Das Klingen der herabfallenden Goldstücke wurde immer stärker, wurde zu einem Sausen und plötzlich zu einem schrillen Pfeifen.
    Abd el Hamid fuhr aus dem Schlaf empor. Die Öllampe neben seinem Lager brannte. Auf einmal merkte er, daß das schrille Pfeifen kein Traum, sondern Wirklichkeit war. Es kam aus einer Ecke des Zimmers. Noch nie hatte er ein solches Pfeifen gehört. Er fuhr zusammen und kroch so weit unter seine Decke, daß nur noch Nasenspitze und Augen herausguckten.
    »Hamid«, sagte eine dunkle Stimme, »deine Zeit ist um!«
    Schreckensbleich kam der Kaufmann unter seiner Decke wieder hervor. »Wer ... wer... was ...« »Ich bin der Engel des Todes. Mach dich fertig. Du mußt mit in die Dschehenna. Nimm Abschied von deinem Sohn. Es sind dir nur noch einige Minuten zu leben vergönnt.« »Nein!« schrie Hamid, »nein . . . jetzt noch nicht ...jetzt noch nicht!«
    »Ah, du willst erst noch die Früchte deiner schmutzigen Geschäfte genießen, wie? Willst dich an den fünftausend Piastern erfreuen, die du dem armen Reisenden, der unter deinem Dache Schutz gesucht und deinen Sohn geheilt hat, abgenommen hast.« »Ich habe sie nicht genommen!«
    »Was ich sagte, ist nicht so wörtlich gemeint. Du hast ihm aber deinen ehrenwerten Diener nachgeschickt, um sie zu rauben. Das ist genau dasselbe. Du warst der Anstifter. Du mußt büßen. Das ist Allahs Wille. Also komm!«
    »Gnade, Gnade«, wimmerte der Araber, als er sich plötzlich am Kragen gepackt fühlte. Er hatte den »Todesengel« immer noch nicht zu Gesicht bekommen. »Ich habe diese Piaster nicht. Gewiß nicht!«
    »Lüge nicht im Angesicht des Todes! Der Schejtan hat mir aufgetragen, einen Vergleich mit dir zu machen. Für jedes Tausend Piaster, die du zurückgibst, vergönnt er dir ein weiteres Jahr auf der Erde.«
    »Fünf Jahre also nur noch?« heulte Hamid, fühlte sich aber dennoch erlöst, daß es nicht gleich sein mußte. Er blickte sich nun erstmalig verstohlen um.
    In der Ecke hinter seinem Bett gewahrte er die verschwommenen Konturen einer vermummten Gestalt. Es war also Wirklichkeit und nicht das schlechte Ende einesschönen Traums! Gab es denn so etwas? Schickte Allah den Todesengel wirklich in der Gestalt eines Menschen in die Häuser der Sünder, deren Uhr hier unten abgelaufen war? »Fünf Jahre«, antwortete die dumpfe Stimme.
    »Wie kann ich dich nur überzeugen, daß ich wirklich nicht im Besitz der Piaster bin?« »Du kannst mich nicht überzeugen. Ich habe selbst zugesehen, wie der, den sie den Pfeifer nennen, deinem

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