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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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verstehe er sie nicht.
    »Warum machen wir nicht meinen Wein auf?« fragte Hans treuherzig. So geschah es nach einigem Hin und Her dann auch, obwohl Britta von dem beiseite gesprochenen Konferieren zunächst nicht lassen wollte. Eine Frau, die sich unterordnet, gewinnt an Einfluß; für alles, was man aufgibt, erwirbt man eine andere Kompetenz, dieses Gesetz schien sie schauspielerisch illustrieren zu wollen. Das Gespräch wandte sich der einzigen Person zu, die allen Anwesenden bekannt war, Herrn Abdallah Souad. Beide wurden fröhlich bei Nennung dieses Namens.
    »Man muß Souad in Schach halten«, sagte Wittekind, dessen Gesicht Hans nur als schwarze Silhouette wahrnahm, denn der Hausherr hatte sich gegen das streifenförmig einfallende und selbst in diesen kleinen Dosen blendende Licht gesetzt. Britta hingegen war weich beschienen in gebrochenen, die Farbigkeit vertiefenden Schattentönen. Sie lag auf einer mit einem bunten Kelim bedeckten Couchette. Die weißen nackten Unterschenkel rieben sich an dem kratzigen Stoff, das tat ihr offenbar gut. Sie war ein schönes Mädchen, aber sie gab zu verstehen, daß sie ihrem Aussehen jetzt im Privaten, gleichsam hinter der Bühne, nicht die geringste Bedeutung beimesse, Gewicht habe für sie allein ihre Wirkung im Scheinwerferlicht.
    »Sehen Sie, Souad ist neugierig«, sagte Wittekind so bedeutsam, als habe er Souads ganzes Wesen in diesen Begriff gebannt, »und ich habe gar nichts zu verbergen, und deshalb ist mir diese Neugier ganz besonders lästig.«
    Souad fühle sich verpflichtet, über alles im Haus informiert zu sein, sagte Britta, und das nehme manchmal erstaunliche Formen an. Neulich habe Elmar einen Strafzettel für irgendeinen lächerlichen Verkehrsverstoß bekommen. Souad sprach ihn darauf geradezu grob im Treppenhaus an: »Warum haben Sie mir davon nichts gesagt? Warum? Ich habe hier die ganze Polizei unter mir, die Leute fahren in meinem Bus - aber wenn Sie mir nichts sagen, kann ich auch nichts machen.« Sie hätten diesem verletzt klingenden Anwurf verblüfft gelauscht und nichts Rechtes darauf geantwortet, bis ihnen später blitzartig klar geworden sei, daß Souad den Brief aus dem Polizeipräsidium offenbar geöffnet habe.
    »Wir sind zunächst nicht darauf gekommen, weil man so etwas nicht für möglich hält«, sagte Elmar, der diesen Zwischenfall nur von der komischen Seite nehmen wollte. Britta ließ diese Sicht gelten, obwohl sie sie ganz und gar nicht teilte, aber sie wollte zeigen, daß sie in Elmars Haltung den herausgehobenen Standpunkt einer höheren Geistigkeit erkenne.
    »Wir haben ein neues Schloß an den Briefkasten machen lassen, und dasselbe empfehle ich auch Ihnen«, sagte sie in der dem Fall angemessenen gleichgültigen Kühle. Elmar Wittekind gestattete aber nicht, daß in seiner Gegenwart triviale Themen oder aber triviale Themen ohne höheren philosophischen Bezug erörtert wurden. Ein Gespräch über den Hausmeister war nur würdig, wenn sich darüber der Zugang zum Großen und Ganzen der Gegenwartsfragen öffnete. Man trank übrigens nicht wenig, die Hitze machte alle durstig. Die von Hans mitgebrachte Flasche, ein italienischer Weißwein, war längst geleert. An seiner Stelle stand jetzt eine Pfälzer Riesling-Literflasche, die viel besser war als der Italiener, wie Hans in kurzer Beschämung feststellte.
    »Ich vermute, Souad ist ein Fall von Überanpassung«, sagte Elmar Wittekind in seiner festen Freundlichkeit. Souad habe mit ganzer Seele den Westen gewählt. Er setze auf den Westen.
    Er habe den orientalischen Zuständen, aus denen er stamme, bewußt den Rücken gekehrt, natürlich mit Opfern, unter Zerreißung von Bindungen, nicht wahr? Souad sei wegen dieser Opfer - die von der anderen Seite womöglich gar Verrat genannt würden - im Westen aber zum Erfolg verurteilt. Er stehe unter dem Druck, daß sich die Entscheidung für den Westen gelohnt haben müsse. Hans kannte diesen besonderen Gebrauch des Wortes »gelohnt« aus seinem Abitur, als ihn der freundliche junge Griechischlehrer behutsam durch die mündliche Prüfung gehoben hatte und zu dem Gestammel, mit dem Hans seine Fragen beantwortete, sagte: »Die Unterscheidung, die Sie zwischen Piaton und Sokrates machen, hat sich gelohnt.« Auch wo es nicht um Geld ging, konnte sich etwas »lohnen«.
    Souad sehe aber, daß ihm weite Regionen westlicher Denkungsart verschlossen geblieben seien - ein zwangsläufiges Erlebnis jedes Ausländers, der nach Jahrzehnten der Anpassung

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