Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
Fassaden verbargen.
„Sie dienen mir und bewachen mich am Tag, wenn ich mich in die Kellergewölbe zurückziehe. Dort unten kann es manchmal sehr einsam werden.“ Er hob den Kopf und sah mich an. Ein stilles Verlangen lag in seinem Blick.
Verlegen wich ich ihm aus und sah auf meine Hände. Der Brief! Gott, wie hatte ich ihn nur vergessen können? Er war der Grund, warum ich hier war. „Ich habe etwas für dich, Jeremy. Von meiner Mutter.“
„Marie?“
Ich nickte. „Sie gab mir diese Nachricht, kurz bevor sie starb.“
Langsam erhob ich mich, lief um die Tafel herum und reichte ihm das Schreiben. Ich wusste, dass Mama ihn einst geliebt hatte. Ich hatte schwören müssen, Papa nie ein Wort zu sagen. Und doch glaubte ich, dass ihm die heimlichen Blicke nie entgangen waren.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
Seufzend legte Jeremy den Brief zur Seite, ohne ihn zu öffnen. „Deine Mutter – Marie - und ich kannten uns lange bevor ich ein Vampir wurde.“ „Wie bist du ein Vampir geworden?“, schnitt ich ihm ins Wort. Die Neugier war schon ein Laster. Ich hätte mir in diesem Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. Jeremy gab mir keine Antwort. Er schüttelte nur den Kopf.
„Wir können das Vergangene nicht ändern“, sagte er schließlich. „Du bist Marie wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich bin froh, dass du heute hier bist, Sophie.“
Jeremy konnte nicht ahnen, dass es mir genauso ging! Ich hatte fest damit gerechnet, dass er mich zurückschicken würde. Nun war ich umso erleichterter, dass er es nicht getan hatte.
Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, sah einen Augenblick lang auf mich herab, als versuchte er zu verstehen, was in mir vorging und nahm schließlich meine Hand. Gott, seine Finger fühlten sich so unmenschlich kalt an.
Wie in Trance folgte ich ihm durch eine kleine Seitentür in das Musikzimmer. Ein weißer Flügel stand am Fenster. Nahe der Sitzecke entdeckte ich eine Harfe, die herrlich golden schimmerte. Gold, Perlmutt, Creme – helle Farben, so strahlend wie der Tag. Ein roséfarbener Teppich. Nur die dunklen Samtvorhänge an den Fenstern bildeten einen starken Kontrast zu dem wunderbaren Farbenspiel.
„Dieses Zimmer ist wunderschön.“
„Nichts ist so schön wie du.“
Jeremys Stimme klang weich und samtig, dennoch bestimmt. Er meinte es ernst. Beim Klang seiner Worte bekam ich eine Gänsehaut.
„Wann hast du das Haus bezogen?“
„Erst kürzlich. Ich habe es seinem Vorbesitzer abgekauft. Glücklicherweise traf die Einrichtung meinen Geschmack. Ich musste nur wenig verändern.“ Er drehte mich plötzlich zu sich. Wieder sah ich dieses Verlangen in seinen strahlend blauen Augen. Ein Verlangen, das auch Sehnsüchte in mir weckte. „Darf ich dich berühren?“
„Was?“
„Schließe die Augen.“
„Warum?“
„Vertraust du mir, Sophie?“
„Ja, aber...“
Sein sehnsüchtiger, doch gleichzeitig fordernder Blick ließ mich dahinschmelzen. Ich tat, was er verlangte. Da spürte ich plötzlich eine kalte Hand an meinem Mund.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
„So weich, so zerbrechlich…“, flüsterte er und zeichnete meine Lippen mit seinem Zeigefinger nach. Ich spürte seinen spitzzulaufenden Nagel, der zart in mein Fleisch stach. Wie ein junger Spund, der das erste Mal die Liebe entdeckt und einen fremden Körper erforscht, so erforschte er mein Gesicht. Sanft streichelte er meine Augenbrauen, meinen Nasenrücken, meine Wangen und schließlich meinen Hals.
„Ihr Sterblichen seid wunderschön… und so warm.“
Ich verkrampfte mich, als er mit dem Handrücken meine Halsschlagader berührte. Er musste spüren, wie mein Herzschlag schneller wurde, wie das Blut heiß durch meine Adern schoss. Schneller und schneller.
Nur einen Spalt öffnete ich die Augen, sodass er es nicht merkte. Ich musste wissen, was er tat. Würde er mich beißen? Gierte er nach meinem Blut? Sein Blick haftete vollkommen fasziniert auf meinem Hals. Wenn er seine Zähne in mein Fleisch bohrte, war es aus! Ein Biss genügte, um einen Menschen in einen Vampir zu verwandeln. Die Gefahr war herrlich erregend. Ich hätte fliehen können, doch ich tat es nicht. So seltsam es auch war, ich fing an, es zu genießen. Er beugte sich zu mir herab und presste seine Lippen an meinen Hals. Zärtlich saugte er an meiner weißen Haut, ohne seine Zähne einzusetzen. Ich war mir der tödlichen Gefahr bewusst, doch ich konnte ihr nicht
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