Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
gehen“, schlug er vor und küsste sie auf die Stirn. „Was kann es Romantischeres geben, als mit einer schönen Frau im Mondschein lustzuwandeln?“
Aber Tammys Laune war auf dem Nullpunkt. Sie schüttelte den Kopf. „Lieb von dir. Du versuchst mich immer aufzubauen, doch ich ziehe mich jetzt lieber zurück.“
Sie wollte sich den Anblick von Dorian und Samantha, wie sie sich in eine Nische zurückzogen, die Köpfe zusammensteckten, mit Champagner anstießen und herzhaft lachten, ersparen. „Ich bin wirklich müde. Der Tag war furchtbar und ich sehne mich nur noch nach Ruhe.“
Marcus hatte wie immer Verständnis für alles, was sie tat. Und so stahl sich Tammy ungesehen an ihren Eltern vorbei, huschte die Treppe ins Obergeschoss hoch und verriegelte ihr Zimmer, um sich dort in eine andere Welt zu flüchten – die von Sophie Langsdale.
cd
Endlich war die Dunkelheit angebrochen, bald würde es Zeit für mich zu gehen. Den lieben, langen Tag hatte ich an nichts anderes, als an Jeremys zärtliche Berührungen denken können. Ich war süchtig nach seinen sanften Händen und seinen feurigen Küssen. Die Leidenschaft, die in mir wuchs, machte mich wahnsinnig, wie sie mich gleichermaßen verwirrte. Und immer waren da auch Zweifel. Tat ich das Richtige? Sündigte ich, wenn ich mich meiner Wollust zügellos hingab? Vater musste es ja nicht erfahren! Eigentlich hatte ich mich für die Ehe aufheben wollen, doch das Verlangen, das Jeremy in mir geweckt hatte, wollte gestillt werden. Wie kam es nur, dass ich so plötzlich alle Konventionen außer Acht ließ? Stimmte es, was er gesagt hatte? Hatte er mir lediglich meine innersten Wünsche erfüllt oder hatte mich
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
sein vampirisches Charisma dazu gebracht, alles zu tun, was er wollte? Stand ich unter seinem Bann?
Die ersten Gäste betraten das Pub. Bekannte Gesichter. Warzig, verkrustet und unrasiert. Die Männer waren fast jeden Abend hier, um dem Alkohol zu frönen und ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, dem Kartenspiel. Nach und nach kamen immer mehr Gäste und ich verabschiedete mich von der Vorstellung, die Nacht in Jeremys Armen zu verbringen. Vater brauchte meine Hilfe, ich konnte ihn nicht im Stich lassen. Doch das Schicksal meinte es auch diesmal gut mit mir.
„Ich schlitze dir die Kehle auf, du Haderlump!“, brüllte einer der Männer plötzlich und packte seinen verdutzten Mitspieler am Kragen. Drohend hob er die Faust, um sie in das Gesicht seines Kontrahenten zu schlagen. Vater konnte in seiner Taverne keine Schlägerei dulden und hatte seine Mühe, die Burschen zu beruhigen. So schnell er nur konnte, eilte er an den Tisch und versuchte mit ausgestreckten Armen dazwischen zu gehen. „Hey, hey. Beruhigt euch!“, rief er. Seine Worte blieben ungehört. Schon flog der Gauner im hohen Bogen durch die Luft, ohne dass Papa etwas hatte ausrichten können, stürzte auf einen Tisch und riss ungewollt die Becher und Krüge von der Holzplatte. Martha erstarrte vor Schreck und presste die Hand sekundenlang auf ihr wild schlagendes Herz. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, beugte sie sich hinunter und kümmerte sich um den Verletzten. Vater hingegen reagierte schnell, packte den aggressiven Schläger, der noch dazu viel größer war als er selbst, am Kragen und warf ihn eigenhändig aus der Schenke.
Obwohl nun allmählich wieder Ruhe einkehrte, zogen es die meisten Gäste vor, zu zahlen und das Pub zu verlassen.
„Es würde mich nicht wundern, wenn Mister Skykes den Kerl bezahlt hat, damit er hier Unruhe stiftet.“
Mister Skykes? Diesen Namen hörte ich zum ersten Mal.
„Konkurrenz belebt das Geschäft“, erwiderte Martha.
„Besonders dann, wenn man die Konkurrenz ausschaltet. Skykes ist ein Schlitzohr, das wir nicht unterschätzen sollten. Er ist hinter dem Ashford’s Pub her und hat mir bereits ein Angebot gemacht. Aber eines sage ich euch, das Gästehaus verkaufe ich nur über meine Leiche.“
Steckte Vater in Schwierigkeiten, von denen ich nichts wusste?
Innerhalb kurzer Zeit hatte sich der Schankraum geleert. Martha sammelte das Geld von den Tischen und warf es in einen kleinen Tonkrug, den sie bei sich trug. Vielleicht würden heute Abend noch weitere Gäste kommen, aber bis dahin, so hoffte ich, war ich längst bei Jeremy! So hatte der Tumult zumindest für mich etwas Gutes.
„Benötigst du meine Hilfe noch?“, fragte ich scheinheilig.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks
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