Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
immer, denn sie hatte sich in der Werbeagentur nicht losreißen können. Sie war nach Hause gehetzt, hatte geduscht und ein vanillefarbenes Chiffonkleid angezogen. Schnell legte sie noch die tropfenförmigen Diamantohrringe, Erbstücke ihrer Großmutter Gwyneth, an, schminkte sich die Lippen in Schokobraun und band ihre schulterlange Lockenpracht zu einer Hochsteckfrisur. Die kleine Reisetasche war geschwind gepackt, denn sie wollte in der Villa ihrer Eltern übernachten, da am nächsten Tag ein Meeting angesetzt war.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
Sophies Buch fand auch einen Platz in der Tasche. Dann eilte sie zur Paddington Railway Station. Mit Schrecken sah sie auf die Uhr am Bahnsteig.
„Acht Uhr.“ Sie seufzte. „Die Party hat vor einer halben Stunde angefangen und ich werde noch eine halbe Stunde mit dem Zug fahren. Zum Glück holt Marcus mich vom Bahnhof ab“. Ihr Dad würde mit den Augen rollen, ihre Mom versuchen ihn abzulenken und Sammy Jo selbstverständlich in die gleiche Kerbe schlagen wie ihr Vater. Nur Marcus, der gute alte Freund der Malts, würde sich vor sie stellen, um allen Unmut abzuwehren.
„Das wird ja wieder ein toller Abend.“ Widerwillig stieg sie in den Zug und wünschte, es sich im Bett gemütlich zu machen, mit Grey zu kuscheln und Sophies Memoiren weiter lesen zu können... oder von Dorian zu träumen. Letzteres tat sie unentwegt, sodass ihr Chef in der Agentur sie schon nach Hause schicken wollte, weil er dachte, ihre geistige Abwesenheit wäre ein Zeichen von Krankheit. Nur Sally erkannte es an Tammys Trauermiene, dass es Liebeskummer war.
Der Zug bummelte durch die Vororte im Südwesten Londons. Kurz dachte Tamara daran, an der Haltestelle Kews Gardens auszusteigen und lieber durch den königlichen Botanischen Garten zu spazieren, anstatt weiter nach Richmond-up-Thames zu fahren, doch sie blieb sitzen. In St. Margarets wartete Marcus Livingston schon auf sie. Lässig lehnte er gegen sein Sportcoupé. Er war braun gebrannt, als käme er frisch von einem 3- Wochen-Urlaub auf Kuba. Das zitronengelbe Polohemd unterstrich seinen Teint, ebenso die neuen blonden Strähnchen in seinem kastanienbraunem Haar. Er war ein richtiger Sunnyboy, doch Tamara fand, dass dieses Image nicht zu einem Geschäftsmann passte.
Als er Tammy sah, kam Marcus lächelnd auf sie zu. Er breitete seine Arme aus und sie ließ sich hineinsinken. Er duftete köstlich nach grünem Tee und Bambus, ein sehr frisches After Shave.
„Meine Traumfrau“, hauchte er.
Tamara knuffte ihn in die Seite. „Red’ nicht immer solch einen Unsinn.“ „Dann verstecke ich eben meine Gefühle für dich wieder und tue so, als wärst du nur die Tochter meines Chefs“, säuselte er gespielt und zwinkerte.
Sie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Marcus überschüttete sie immer mit Komplimenten, wohl der einzige Mann in ihrem Leben, doch sie konnte ihn nicht ernst nehmen. Er machte aus allem einen Spaß. Weshalb er nach all den Jahren noch immer keine Frau an seiner Seite hatte, verstand sie nicht!
Sie stiegen ein und fuhren am Marble Hill Park vorbei. In der Ferne sah Tammy die Orleans House Gallery. Vier Schulausflüge hatten sie und ihre Klasse in die öffentliche Kunstgalerie geführt und jedes Mal hatte sie davon geträumt, im bekannten Octagon Raum ihr Mädchenzimmer zu haben.
Ihr Blick streifte Marcus. Er starrte sie an.
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„Schau nach vorne“, ermahnte sie ihn lächelnd. „Wenn wir an einen Baum fahren und nicht auf dieser dämlichen Party ankommen, bin ich geliefert.“ Sie klappte den Sonnenschutz herunter und betrachtete ihr Gesicht im Kosmetikspiegel. „Ist mein Lippenstift verschmiert oder mein Mascara verlaufen?“
„Wie kommst du darauf?“
„Weil du mich angaffst.“ Fragend hob sie die Augenbrauen.
Marcus schnalzte. „Es ist nur... nun ja.“
„Was?“ Tammy rutschte nervös auf ihrem Sitz herum. „Los, sag es, bevor wir am Domizil meiner Eltern ankommen und es alle Gäste sehen.“ „Nun gut“, antwortete er. „Aber es war deine Entscheidung. Es ist wegen der Sache, die ich nicht sagen darf.“
Jetzt begriff Tammy! Sie blinzelte ihn argwöhnisch an. Mit den Fäusten trommelte sie gegen seinen Oberarm und lachte laut auf. „Du hast mich reingelegt.“
Marcus streichelte mit dem Handrücken sanft ihre Wange. „Nein, aber du hattest mir ja verboten zu sagen, dass du toll aussiehst.“
„Und ich hatte
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