Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
Raubtiermaul und blutrote Augen starrten mich wahnsinnig an. Der Mörder! Langsam dämmerte mir, dass nicht Gregory, sondern dieses Untier für meine schmerzenden Knochen verantwortlich war. Panik stieg in mir hoch! War er womöglich der Schatten, der mich durch die Straßen Londons verfolgt hatte? „Sophie, lauf!“, hörte ich Jeremy hinter mir rufen. Aber es war schon zu spät. Die Kreatur holte aus und schlug so stark zu, dass ich den Boden unter den Füßen verlor. Ich prallte seitlich auf. Das Wesen war sofort bei mir, krallte sich in meine Haare und zog mich daran hoch. Gott, dieser Schmerz war unerträglich. Ich hatte das Gefühl, er würde mir die Kopfhaut vom Schädel reißen. Mein Schreien und Zetern nützte nichts, der Vampir kannte keine Gnade. Ich wusste, er würde mich aussaugen! Und Jeremy konnte mir nicht helfen. Er lag noch immer gefesselt am Boden.
Verzweifelt versuchte er mit den Beinen nach meinem Peiniger zu treten, ihm die Füße weg zu hauen, doch das Seil ließ ihm nicht genügend Spielraum. Er konnte den wahnsinnigen Vampir nicht erreichen.
„Lass sie, du dreckiger Bastard!“
Zu meiner Überraschung hielt der Mörder tatsächlich inne. Betont langsam drehte er sich zu Jeremy um und funkelte ihn wahnsinnig an. „Ganz wie du willst!“ Mit ungeahnter Wucht stieß er mich gegen einen weiteren Stapel Kisten. Ich rammte mir eine Kistenecke gegen die Stirn und stürzte benommen zu Boden. Sekundenlang tanzten dunkle Flecken vor meinen Augen. Ich konnte mich nicht einmal auf allen Vieren stützen, ohne den Halt zu verlieren. ‚Du darfst nicht ohnmächtig werden’, schrie alles in mir. Wenn ich jetzt das Bewusstsein verlor, war ich dem Mörder hilflos ausgeliefert!
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich die Bestie auf Jeremy stürzte. Meine Kehle schnürte sich vor Angst zusammen. Hätte ich ihm doch nur helfen können!
„Lauf, Sophie! Bring dich in Sicherheit!“ Ich wollte ja laufen! Aber ich konnte es nicht! Mein Körper fühlte sich an, als gehörte er nicht mehr mir.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
Blut spritzte. Immer wieder ließ das Untier seine Klauen auf sein Opfer niedersausen. Jedes Mal flog Jeremys Kopf von einer Seite zur anderen, bis er sich schließlich nicht mehr regte. Der Mörder nutzte die Wehrlosigkeit seines Gegners und rammte seine Reißzähne mit solcher Brutalität in Jeremys Hals, dass sich dessen Körper abrupt aufbäumte.
Ich musste etwas unternehmen, bevor dieser Wahnsinnige Jeremy aussaugte! Ich sammelte all meine Kräfte und stemmte mich hoch, stützte mich an den Kisten ab und wankte zum Ausgang. Gregory… er musste noch irgendwo da draußen sein. Nur er konnte Jeremy retten. Ich hatte die Tür noch nicht erreicht, da stürzte ich schon wieder auf die Knie. Mein Körper war einfach zu schwach.
Tränen schossen mir in die Augen. Es war alles meine Schuld. Hätte ich Jeremy doch nur nicht an den Pfeiler gefesselt! Das schmatzende, saugende Geräusch, das der Vampir in seiner Gier verursachte, ließ mich würgen. Mit jedem Schluck, den er trank, raubte er Jeremy einen Teil seiner Lebenskraft. Nein, das durfte ich nicht zulassen! Ich biss die Zähne zusammen und kroch die letzten Meter auf allen Vieren nach draußen. Strömender Regen empfing mich. Die Bordwachen hatten sich unter Deck zurückgezogen. Gott, war denn niemand hier, der uns helfen konnte?
„Hilfe…“ Meine Stimme klang so leise, selbst wenn jemand neben mir gestanden hätte, hätte er vermutlich nicht mehr als ein klägliches Wimmern vernommen.
Ich zog mich an der Wand hoch, atmete tief ein, füllte meine Lungen mit Luft und gab sie schließlich in einem einzigen Schrei wieder frei. „Hilfe!“ Aber der Regen verschluckte meine Stimme. Ich zweifelte, dass mich einer der Lagerwächter gehört hatte. Mir war so schlecht. Mein Herz raste, mein Magen rebellierte und nun begann auch noch die Sicht vor meinen Augen zu verschwimmen.
„Nun gehörst du mir!“ Die kehlige Stimme, die plötzlich an mein Ohr drang, lähmte meine Glieder. Oh mein Gott, er musste direkt hinter mir stehen! Ich glaubte sogar, seinen eiskalten Atem auf meinen nackten Schultern zu spüren.
Ich wollte fort, so schnell wie möglich fort! Aber mein Körper gehorchte längst nicht mehr meinen Befehlen und meine Beine fühlten sich an, als wären sie zu Salzsäulen erstarrt. Er schlich um mich herum wie ein Raubtier, das seine Beute umkreiste. Das eingefallene Gesicht erinnerte an einen Totenschädel,
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