Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
der mit lederner Haut umspannt war. Die Augen saßen tief in ihren Höhlen und die langen grauen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Ich reichte nicht einmal bis zu seiner Schulter. Übelkeit befiel mich, als ich seine langen, gebogenen Krallen sah. Jeremys Blut tropfte von ihnen herunter.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
„Ich werde dich lange leiden lassen“, grollte er und kam auf mich zu. Näher und näher, bis er direkt vor mir stand.
Und als er langsam sein Haupt zu meinem Hals senkte, um mir den tödlichen Kuss zu geben, spürte ich plötzlich meine Füße wieder! Es war wie ein Wunder. Ein Ruck ging durch meinen Körper, gleich einer Befreiung! Als hätte man mich von schweren Ketten gelöst. Abrupt drehte ich mich um und rannte. Ich rannte, so schnell ich nur konnte. Hinter mir vernahm ich bereits das Fauchen der irren Bestie. ‚Du musst schneller sein’, feuerte ich mich selbst an. Aber das war leichter gesagt, als getan. Die Puste ging mir allmählich aus und das Grollen kam immer näher! ‚Lauf, lauf!’, schrie alles in mir. Doch es war vergebens. In Windeseile hatte er mich eingeholt, warf sich auf mich und riss mich zu Boden. Der Aufprall war so heftig, dass ich mich mehrmals überschlug und die Luft aus meinen Lungen gepresst wurde. Brutal bohrten sich seine Krallen in mein nacktes Fleisch, er drehte mich um und drückte mich mit seinem ganzen Gewicht an den nassen Erdboden. Warmes Blut floss über meine weiße Haut. Angewidert verzog ich das Gesicht, als der Vampir meine Wunden ableckte. Der Geschmack meines Blutes erregte ihn. „Verabschiede dich von deinem Leben“, zischte er und riss seinen gewaltigen Rachen so weit auf, wie er nur konnte. Dolchartige Reißzähne sausten auf mich herab. Ich wollte schreien, doch ich brachte keinen Ton heraus. Panisch drehte ich den Kopf von einer Seite zur anderen. Ich hatte bereits mit meinem Leben abgeschlossen, als die Kreatur schmerzerfüllt aufschrie. Ein mächtiger Ruck ging durch seinen Körper. Mit Entsetzen verfolgte ich die grauenhafte Verwandlung, die nun vor meinen Augen stattfand. Die Haut schien innerhalb weniger Sekunden wie Wachs zu schmelzen. Gott, was ging hier nur vor sich? Ich versuchte das Wesen von mir zu stoßen, doch die Klauen hatten sich fest in mir verankert. Der Mörder winselte wie ein geschlagener Hund. Ich konnte nur erahnen, was für unvorstellbare Qualen er litt. Als auch noch die Augen von ihren Höhlen verschluckt wurden, war von dem Vampir nicht mehr übrig als ein ausgetrocknetes Skelett. Ich konnte den Schrei nicht länger unterdrücken. Was war nur geschehen? Erst jetzt sah ich das zugespitzte Holz, offenbar ein abgerissenes Stück von einer der Kisten, das von hinten durch seine Rippen in sein verfaultes Herz gestoßen worden war. Jeremy? Hatte er sich befreit und mich gerettet? Eine große Hand packte die Leiche am Nacken und riss sie von mir herunter. Wie morsches Holz zersplitterte der skelettierte Körper. Die Hände der Kreatur umklammerten noch immer meine Schultern. Doch nun konnte ich genügend Kraft aufbringen, mich selbst zu befreien. Mit einem Würgen löste ich die knochigen Finger aus meinem Fleisch und stieß die abgerissenen Beine von mir. Erstaunt blickte ich in Gregorys Gesicht.
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
Der buckelige Diener half mir auf. Splitternackt stand ich vor ihm, frierend und klitschnass.
„Danke“, hauchte ich. „Ihr habt mir das Leben gerettet.“
Er gab nur ein leises Grollen von sich und schaute verlegen zu Boden. „Kommt, Gregory. Wir müssen zu Jeremy“, sagte ich, ohne an meine eigenen Wunden zu denken.
Wir eilten zum Lagerhaus zurück. Jeremy lag noch immer gefesselt am Boden. Am ganzen Körper zitternd, wankte ich auf die totenblasse Gestalt zu und kniete mich zu ihr. Seine Augen hatten eine unnatürlich helle Farbe angenommen und waren weit aufgerissen, genauso wie sein Mund. Sein Körper war mit zahlreichen Bissverletzungen übersäht. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass sich die Wunden nicht geschlossen hatten. Es tropfte aber auch kein Blut aus ihnen.
Der Anblick war so schrecklich, dass ich nicht länger hinsehen konnte und das Gesicht weinend in den Händen vergrub. War Jeremy tot? Sein Körper wirkte so schrecklich eingefallen. Tröstend legte Gregory seine Hände auf meine Schultern und gab ein betrübtes Schnauben von sich.
Ich drehte mich zu ihm um und während mein Blick über seine narbigen Arme glitt, kam mir
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