Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
sie beide mit dem Thema „Vampire“ auf eine falsche Fährte gelockt hatte. Diese Hoffnung war nun wie eine Seifenblase zerplatzt. Wie sollte Tammy nur mit etwas Übersinnlichem umgehen? Sie begriff es kaum, kannte nicht die Regeln, nach denen die Vampire spielten und somit auch nicht ihre Schwächen. Aber sie konnte lernen! Ihr blieb gar nichts anderes übrig, wenn sie ihre Familie retten wollte. Weitaus schmerzlicher war jedoch zu erfahren, dass Dorian eine Freundin besaß! Kalestra. Dieser Name hallte in Tamara wider, als würde jemand unentwegt mit einem Messer auf sie einstechen. Einst menschlich
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
gewesen, wie Tammy, war sie nun ein Vampir wie Dorian. Seitenwechsel. Damals war er jung, hatte sich im Gegensatz zu heute nicht unter Kontrolle und machte Kalestra zu einem Geschöpf der Nacht. Er hasste sich dafür, aber Tammy fragte sich, was ihm Besseres hätte widerfahren können. Nun konnten Kalestra und Dorian zusammen sein, ohne Probleme, denn der Tag trennte sie nicht länger. Aber was war mit Tammy?
Sally Thomas stieß sie sanft an der Schulter an. „Du starrst gedankenversunken auf den Bildschirm und ich wette, du grübelst nicht über einen neuen Werbeslogan nach.“
Ertappt schüttelte Tamara den Kopf.
„Zeit für eine Pause“, schlug die Webdesignerin vor und zwinkerte. Sie besorgten sich Snacks und Mineralwasser im ‚Sandwich Corner’ und suchten sich ein schattiges Plätzchen in Kensington Gardens. Tammy war froh aus der stickigen Agentur heraus zu kommen, denn die Klimaanlage war zwar repariert worden, funktionierte aber immer noch nicht richtig. Außerdem wusste sie, dass sie sich eh nicht würde konzentrieren können. Es fehlten noch zu viele Puzzleteile, um sie zu beruhigen. Sie schaute auf ein Bild, das noch nicht komplett war und ihr Angst bereitete.
„Du hast jemanden kennen gelernt, habe ich Recht?“, fragte Sally ohne Umschweife.
Tammy nahm das Thunfischsandwich aus der Plastikverpackung und seufzte. „Ist es so offensichtlich?“
„Du starrst Löcher in die Luft. Aber auf
‚Wolke sieben’ zu schweben sieht anders aus.“
„Er ist undurchschaubar.“
„Sind das nicht alle Männer?“, fragte Sally und lachte.
„Stimmt.“ Hungrig biss Tamara in das Sandwich und spülte den Bissen mit einem Schluck Evian hinunter. „Gestern hat Marcus, Vaters Sekretär und alter Freund des Hauses Malts, mich an sich gedrückt. Ich glaubte zu ersticken. Dabei sind wir seit Jahren gute Freunde.“
„Manchmal wird mehr daraus.“
„Wieso nur so plötzlich, nach all der Zeit?“
„Aber er ist es nicht, der dich am helllichten Tag zum Träumen bringt“, vermutete Sally und knabberte nacheinander die Ecken eines viereckigen Haferflockenkeks’ ab.
Tammy überlegte, wie viel sie ihrer Freundin und Arbeitskollegin erzählen sollte und entschied, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Bei der Erwähnung von Vampiren, wäre Sally bestimmt nur in schallendes Gelächter ausgebrochen. „Nein, dieser Mann ist geheimnisvoll. Er zieht sich mal zurück und geht dann wieder in die Vollen. Das macht mich verrückt.“
„…nach ihm“, fügte Sally kichernd hinzu. „Liebt er dich?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Tamara ehrlich.
„Begehrt er dich?“
„Weiß nicht.“
„Geht er noch mit anderen Frauen aus?“, bohrte Sally weiter.
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„Weiß ich nicht.“ Tammy dachte an Kalestra und hätte am Liebsten angefangen zu heulen. Bisher war nicht einmal der Gedanke daran, dass Dorian in einer festen Partnerschaft sein konnte, in ihr aufgekommen. Vielleicht weil sie selbst so eine treue Seele war, die nie zweigleisig fuhr. Und wenn Vampire nichts von Monogamie hielten? Immerhin lebten sie ewig, bis jemand sie tötete oder sie den Freitod wählten, weil sie das Leben nicht mehr ertrugen. Da bekam die Bedeutung der Phrase „Bis der Tod euch scheidet“ eine ganz neue Dimension. Ob Dorian und Kalestra sich getrennt hatten? Oder ob die Vampirin von seinem Plan mit der Familie Malt wusste und sie damit einverstanden war, dass er Tammy verführte, um am Ende ihr Herz zu brechen?
Sally unterbrach ihre zermürbenden Gedanken, in dem sie ihr die Packung Kekse hinhielt, doch Tammy schüttelte den Kopf. „Zu viele ‚Ich weiß nicht’, wenn du mich fragst. Meiner Meinung nach solltest du zu diesem Kerl gehen und ihn zur Rede stellen. Angriff ist die beste Verteidigung. Lass dich nicht
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