Kesrith – die sterbende Sonne
purpurfarbenen Himmel abzeichneten. Der Wind war heftig und trieb schrill pfeifend kleine Wolken zwischen den Säulen hindurch wobei er ihre Spuren so schnell verwischte, wie sie sie machten.
Duncans trockener Husten fing wieder an und blieb eine Zeitlang, bis der Mensch seine vom Klettern herrührende Atemlosigkeit wieder überwunden hatte. Sie waren nun sehr hoch, und die Luft war hier noch viel trockener als im Tiefland. Hier auf dem Hochland, auf viel vom übrigen Land, gab es keinen Regen, nur wehenden Sand. Unterhalb lag ein Meer, das The'asacha, aber es war so klein und tot wie das Alkali-Meer, an dessen Küste die Regul-Stadt stand. Und jenseits von The'asacha erhob sich eine Bergkette, die Dogin, die nackten Skelette erodierter Berge, die immer noch hoch genug waren, um Winde hierhin und dorthin über das Rückgrat des Kontinents zu werfen und Stürme zu erzeugen, die niemals auf die Hochlandebene herabfielen, sondern ins Land hinab, auf die Tiefebenen.
Die den Himmel umrahmenden Wolken waren nun unterwegs, um ihre Ladung an Feuchtigkeit auf das Tiefland zu schütten, und forderten von den Flüchtlingen weder Achtsamkeit vor dem Sturm, noch boten sie ihnen die Hoffnung auf Wasser. Alles, was sie ihnen bringen würden, waren ein dunkler Himmel und ein harter und gefährlicher Weg ohne Sterne.
Das Geräusch des Flugzeuges drang plötzlich in Niuns Ohren. Er trieb Mensch und Dusei auf die tiefsten Schatten zu, in die zunehmende Dunkelheit – Melein hatte sofort Deckung gesucht. Falls das Flugzeug irgend etwas sah, dann das Abbild eines Dus, eine heiße, massige Silhouette für ihre Instrumente, etwas, das in der Wildnis zu sehen normal genug war. Falls sie auf jedes Dus von Kesrith feuerten, würde ihre Suche sehr lange dauern.
Es flog vorbei. Niun hatte die Faust in den Gewändern des Menschen verwickelt, ein Griff, den er nicht gelockert hatte, seit er sie beide in Deckung gebracht hatte, und holte jetzt zum erstenmal wieder gleichmäßig Atem.
»Hier können wir uns einen Moment ausruhen«, sagte Melein mit dünner, erschöpfter Stimme. »Es ist noch ein langer Weg von hier aus – ich muß mich ausruhen.«
Niun betrachtete sie, erkannte, daß sie Schmerzen litt, die sie so lange zu verbergen gesucht hatte. Beim Aufstieg hatte er jedes Zusammenzucken von ihr gespürt, als sei es ihm selbst widerfahren. Und sie konnten sich jetzt nicht lange ausruhen. Er war bedrückt darüber, denn er spürte, daß Melein unter diesem Drang zum Weitergehen ihre letzte Kraft verausgabte.
Und ohne sie würde es nichts mehr geben.
Er benutzte den Stoff als Decke und ließ Melein sich an die Flanke des Dus lehnen, in diese freundliche Wärme, und war glücklich darüber, daß sie sich unter dieser von ihm angebotenen Erquickung entspannte und sich die Schmerzensfalte auf ihrer Stirn löste und verschwand.
»Es wird gut werden«, sagte sie und berührte seine Hand.
Und dann weiteten sich ihre Augen, und er wirbelte auf einem Schatten herum – ein rascher Griff nach einer Wasserflasche, und Duncan war in dem Irrgarten aus Felsen in der Dunkelheit verschwunden.
Niun fluchte und sprang hinter ihm her und hörte gleichzeitig das stöhnende Brüllen der Dusei hinter sich. Er rannte um eine Säule herum, erwartete fast einen Hinterhalt, der eine Idiotie von seiten des Menschen gewesen wäre – aber es gab keinen.
Duncan war nicht zu sehen – kein Anzeichen von ihm.
Und er hatte Melein allein gelassen, und der Schweiß brach ihm aus, wenn er nur daran dachte, was geschehen konnte, wenn Duncan einen Bogen machte und Melein angriff, so verwundet wie sie war.
Plötzlich erhob sich das Geräusch jagender Dus, ein Stöhnen, das der Wind vor sich her trug, und dieser Schrei bedeutete, daß die Beute in Sicht war. Niun pries die verschiedenen Götter seiner Kaste und rannte in Richtung dieses Geräusches, die Pistole in der Hand.
So fand er Melein, ein bleiches Gespenst in der Dunkelheit, neben ihr ein Dus, und zusammen entdeckten sie die Sackgasse, in der die anderen Dusei Duncan gestellt hatten.
»Yai!« rief Niun den Tieren zu, bevor sie sich hineinstürzten und Duncan töten konnten, und sie drehten ihre hängenden Schultern um, machten einen trotzigen Rückzug, nur soweit, daß Duncan wieder unter dem Sims hervorkommen konnte, unter den er getrieben worden war. Duncan wollte jedoch nicht. Er kauerte sich zusammen, hatte bei seiner Krabbelei den Schleier verloren, das nackte Gesicht war vor Erschöpfung und Zorn
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