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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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tummelten sich haufenweise Touristen, die fotografierten und ihr Leben aufs Spiel setzten, weil sie den Doppeldeckerbussen ausweichen mussten. Sie waren alle völlig überdreht, aber ob du’s glaubst oder nicht, Stuart: Meine Mum war am aufgeregtesten, und sie ließ sich mit einem Mann aus Wokingham fotografieren, der wie John Lennon angezogen war. Bestimmt hätte die Frau in dem schicken Kostüm die Seife von Patrick Swayze mitgenommen und der Mann aus Wokingham hätte John Lennons Seife eingesteckt, und deshalb fand ich es nicht ganz so verrückt, dass ich Aarons Seife mitnahm. Du hast doch sicher auch seltsame Sachen gemacht, als du dich bei dem ersten Treffen mit Alice im Diner in sie verliebt hast? Vielleicht hast du ein Ketchuptütchen eingesteckt, das jetzt immer noch zwischen dem Senf und der Worcestersoße bei dir zu Hause im Regal liegt, weil du es nicht mal benutzt hast, wenn dir das Ketchup ausging.
    Ich sollte mich beeilen, denn stell dir mal vor, dieser Brief gefriert, während ich dir schreibe. Es genügt auch zu berichten, dass es in Max’ Zimmer sehr schnell heftig zur Sache ging. Seine Finger näherten sich gerade dem Reißverschluss meines Schulrocks, als ich draußen einen Wagen parken hörte und schlagartig zur Vernunft kam.
    »Wo willst du hin?«, stöhnte Max, weil ich hektisch aufsprang und meinen Rock glattstrich.
    Ich tat so, als schaue ich auf mein Handy, dann legte ich es auf seinen Schreibtisch. »Hab einen Termin.« Ich zog meine Schuhe an und strich mir durch die Haare, während ich hörte, wie die Haustür unten auf- und wieder zuging.
    »Du musst nicht wegrennen«, sagte Max. »Meine Familie hat nichts dagegen, wenn Mädchen hier sind.«
    »Aber ich muss echt los«, erwiderte ich, weil ich mir Aarons Gesicht vorstellte, wenn er mich mit seinem Bruder sah. Jemand ließ am Fuß der Treppe eine Tasche fallen und schaltete den Fernseher ein. »Jetzt sofort …«
    »Bleib doch noch ein bisschen.« Max klopfte auf die leere Betthälfte und tat, als fröstle er. »Mir ist so kalt ohne dich …«
    »Dann zieh dein Hemd runter«, sagte ich. Das machte er dann bockig und brauchte ewig dafür, während ich in der Mitte des Zimmers stand und versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
    »Das macht keine Laune«, sagte er dann schmollend, als er endlich aufstand und mit mir nach unten ging.
    »Bist du das, Max?«, rief jemand über den Lärm des Fernsehers hinweg. Eine Frauenstimme. Ich atmete erleichtert aus.
    »Nein, Mum. Es ist ein Einbrecher, der dein ganzes Zeug klaut«, antwortete Max trocken.
    »Ha, ha. Sehr witzig. War in der Schule alles okay?«
    »So wie immer«, rief Max. »Mathe war langweilig. Englisch war langweilig. Bio war langweilig.«
    »Überschlag dich bloß nicht vor Begeisterung, Sohn. Ist Aaron schon wieder da?«
    Ich zuckte zusammen und rieb mir dann die Nase, um es zu kaschieren.
    »Nee. Ist wahrscheinlich bei Anna.« So hieß also das rothaarige Mädchen. »Tschüss dann«, sagte er zu mir, weil ich die Haustür aufgemacht hatte.
    »Willst du mir die Person nicht vorstellen, die in meiner Diele herumlungert?«, rief Max’ Mutter aus dem Wohnzimmer.
    »Ein andermal vielleicht«, gab Max zurück. Und das war mein erster Kontakt mit Sandra.
    Neugierige Nachbarn von Max hätten jedenfalls nichts Interessantes zu sehen bekommen, als wir uns im Garten verabschiedeten. Ich winkte, und Max winkte, und dann machte er schnell die Tür zu, und ganz ehrlich, die ganze Aktion war ein ziemlicher Rohrkrepierer, und falls du den Ausdruck nicht kennst, Stuart, kannst du dir einen nassen Knallfrosch vorstellen, der nicht explodiert, das kommt auch hin.
    Als ich Max’ Haus verließ, stand der Mond schon am nachtblauen Himmel. Ich würde ja gerne schreiben, dass er rund und honiggelb war, um mehr Stimmung zu erzeugen, aber er sah nicht besonders romantisch aus, und ich kam gar nicht auf die Idee, dass etwas Außergewöhnliches geschehen könnte. Das Außergewöhnliche war ein altes blaues Auto an einer Ampel vor der Kirche. Eine Taube kam von irgendwoher so tief angeschossen, dass sie mir fast gegen den Kopf flog, und ich duckte mich automatisch, und als ich mich wieder aufrichtete, hörte ich jemanden hupen. Ich blinzelte, um im grellen Ampellicht etwas zu erkennen, und dann durchzuckte mich etwas bis in die Zehenspitzen, denn es war Aaron.
    »Vogelmädchen!«, rief er aus dem Wagenfenster. »Hängt mit den Tauben rum!«
    »Nee, ich werd von Tauben attackiert«,

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