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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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gibt einem zu denken, oder?«, sagte Dad.
    »Auf jeden Fall«, erwiderte ich und fragte dann: »Und was geht dir dabei durch den Kopf?«
    »Dass das Leben kurz ist. Und dass man sich nicht die ganze Zeit Sorgen machen sollte.«
    »Oder nur für die Schule lernen«, fügte ich hinzu und setzte mich auf die Ecke des Schreibtischs.
    Dad lachte. »Schlauer Versuch. Vorsicht mit den Fotos!« Er zog mich von einem Stapel Schwarzweißbilder. »Ich scanne die grade ein, damit sie erhalten bleiben.«
    Ich hatte das Gefühl, als wolle er sagen Wenn Großvater uns schon nicht erhalten bleibt , deshalb fragte ich: »Wie geht’s Großvater denn jetzt?«
    Dad rieb sich den Nasenrücken. »Nicht gut, ehrlich gesagt. Sein Gedächtnis verfällt. Letzte Woche konnte er sich nicht mal daran erinnern, dass er mal getanzt hat. Ich habe ein paar Fotos mitgebracht, aber er hat sie zur Seite geschoben und nach der Bibel und einer Schale rotem Wackelpudding verlangt.«
    »Er weiß nicht mehr, dass er das ist?«, fragte ich, während der junge Mann auf dem Bildschirm lachte und lachte und lachte. »Und was ist mit Großmutter? Erinnert er sich noch an sie?«
    »Als alte Dame schon. Aber die Vergangenheit verschwindet aus seinem Kopf.«
    Dad klang furchtbar fertig, und ich ging raus, und als ich zurückkam, hielt ich etwas hinter meinem Rücken versteckt.
    »Überraschung! Hier, für dich. So lange, bis du dir den echten leisten kannst.« Ich wartete darauf, dass Dad sich bedankte, aber er sah irgendwie erschüttert aus und schaute von dem Ferrari zu der Liste mit den Kanzleinamen und all diesen Kreuzen. »Ich wollte nicht …«, stotterte ich. »Nicht weil du deinen Job verloren hast. Das wollte ich damit nicht …«
    »Der ist super«, unterbrach mich Dad, schob den Ferrari über den Schreibtisch und machte dazu Motorgeräusche. Aber es war halbherzig, und das wussten wir beide. »Danke, Schatz«, sagte er. Der Wagen machte an dem Ordner eine Kehrtwendung und parkte dann neben der Maus.
    Dad wandte sich wieder den Fotos zu, das Kinn in die Hand gestützt. Er klickte weiter, und anstelle der Tanzenden sahen wir ein junges Paar, das unter einem Baum auf einer Decke saß und ein Picknick machte. Es regnete, aber die beiden strahlten so, als schiene die Sonne. Großvater hatte Großmutter den Arm um die Schultern gelegt, und sie lehnten die Köpfe aneinander.
    »Warum hasst Mum ihn so sehr?«, fragte ich. »Ich finde, er sieht nett aus.«
    Dad räusperte sich. »Es ist nicht so, dass sie ihn hasst .«
    »Aber was ist denn passiert, Dad? Ich versteh das nicht. Warum sollen wir ihn nicht besuchen?«
    »Na ja, es gab da …«
    »Einen Streit. Das weiß ich schon. An dem Tag, als wir dann bei McDonald’s gegessen haben. Aber worum ging es bei dem Streit?«
    Dad räusperte sich wieder. »Du solltest dich nicht mit diesen Sachen belasten, Schatz.«
    »Ich will es aber wissen.«
    Einen Moment sah Dad aus, als würde er nachgeben, dann murmelte er: »Manche Sachen aus der Vergangenheit sollte man lieber ruhen lassen.«
    »Manche Sachen?«, hakte ich nach, obwohl ich wusste, dass das ganz schön gewagt war.
    »Nicht jetzt, Zoe.«
    »Aber wieso habt ihr so viele Geheimnisse? Was war denn so schlimm damals?«
    »Es hat keinen Sinn, das alles wieder rauszukramen«, sagte Dad gereizt. »Mum würde das nicht gut finden.«
    »Aber weshalb?«, insistierte ich. »Was hat Großvater denn Schlimmes gemacht?«
    »Nun hör auf!«, explodierte Dad. »Ganz ehrlich, Zoe. Du musst wissen, wann Schluss ist!«
    Ich rannte gekränkt aus dem Zimmer. Als ich in meinem Zimmer mein Handy vom Boden aufhob und die Nachricht an Max noch einmal las, verharrte mein Daumen nicht mehr über der Sendetaste. Sondern drückte die Löschtaste. Ich fand, wenn Mum und Dad sich Geheimnisse erlaubten, hatte ich auch ein Recht darauf, Stuart. Wütend tippte ich zwei Buchstaben ein.
    Ja.
    Viele Grüße
Zoe

1 Fiction Road
Bath
    3. Dezember
    Hallo, Stuart,
    bald ist Weihnachten. In England läuft schon im November in allen Läden Jingle Bells , und ab 1. Dezember haben alle Städte Weihnachtsbeleuchtung. Obwohl ich bei Google ganz viel gesucht habe, konnte ich keine Informationen über Weihnachten im Todestrakt finden. Aber ich nehme an, dass die Wachen es dir nicht erlauben, einen Strumpf in deiner Zelle aufzuhängen. Und selbst wenn ihr im Gefängnis einen Christbaum habt, kommt bestimmt keine festliche Stimmung auf, wenn man hinter Gittern Grütze essen muss. Deshalb vermute ich mal, dass

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