Ketchuprote Wolken
Straßenschild kam in Sicht, schwarze Schrift an einem weißen Pfosten, auf dem ein fetter brauner Kater hockte, und tatsächlich höre ich jetzt gerade auch einen draußen vor dem Schuppen im Dunkeln maunzen. Der auf dem Straßenschild war still, und als wir näher kamen, leuchteten seine Augen, aber ich wollte noch nicht nach Hause, noch nicht, niemals mehr.
»Halt mal einen Moment hier an«, sagte ich.
Aaron tippte sich an eine imaginäre Chauffeursmütze, als er neben dem Straßenschild bremste. »Lass uns Guten Tag sagen!«
»Was … nein … warte !«, rief ich, aber Aaron war schon ausgestiegen und hatte die Tür offen stehen lassen.
»Hallo, Herr Kater«, sagte er und streichelte den weißen Fleck zwischen den spitzen Ohren des Katers.
»Er heißt Lloyd«, sagte ich. »Wohnt nebenan. Zusammen mit Webber.«
»Lloyd Webber«, murmelte Aaron, als der Kater von dem Pfosten sprang und schnurrend seinen Kopf an meinem Bein rieb. »Bei uns nebenan wohnt ein Hund namens Mozart.«
Ich nickte, als hörte ich das zum ersten Mal. »Sie hätten ihn Bach nennen sollen«, witzelte ich, aber ich fühlte mich nicht gut dabei. Aaron lachte, und das machte mich froh und traurig zugleich. Als würde ich solche Theatermasken tragen, die lachen und weinen.
»Wunderschöne Tiere«, murmelte Aaron, als der Kater in den Büschen verschwand. »Findest du nicht auch?«
Ich zog mich auf eine Gartenmauer hoch und setzte mich, ein wenig fröstelnd. »Weiß nicht. Ich mag Hunde lieber.«
Aaron schwang sich auf die Mauer. »Katzen sind aber viel toller. Unabhängiger. So wie Lloyd, der einfach wegrennt, um irgendwas zu erkunden.«
»Aber Katzen sind Einzelgänger. Hunde sind viel anhänglicher und geselliger. Wedeln mit dem Schwanz und wetzen durch die Gegend.«
»Katzen können auf Bäume klettern«, hielt Aaron dagegen.
»Hunde können schwimmen. Und Katzen töten Vögel, was ich nicht ertragen kann.«
»Du mit deinen Vögeln …«, erwiderte Aaron, zog ein Bein hoch und legte die Arme aufs Knie.
»Ich liebe Vögel. Mehr als Katzen und Hunde und alle anderen Tiere.«
»Was beeindruckt dich so an Vögeln?«, fragte Aaron und sah mich an, als interessiere ihn die Antwort brennend.
Ich überlegte. »Na, sie können fliegen.«
»Ach was!«, sagte Aaron verblüfft.
Ich schlug ihm auf den Arm. »Also ehrlich! Wenn du dich so blöd benimmst, erzähl ich nichts …«
»Nein, rede weiter«, sagte er mit einem belustigten Funkeln in den Augen.
»Also, sie können fliegen …« Ich warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, aber er hielt den Mund, »was ich unglaublich finde, ich meine, sich in die Luft erheben und einfach irgendwo hinfliegen zu können. Schwalben zum Beispiel. Ist doch verrückt, welche Entfernungen die zurücklegen.«
»Sind das Zugvögel?«, fragte Aaron.
Ich setzte mich auf meine Hände und nickte. »Im Winter fliegen sie Richtung Süden, über die Meere, diese winzigen Tiere, ohne jede Furcht. Dreißigtausend Kilometer oder so und dann alles wieder zurück, wenn es wärmer wird. Ich weiß nicht, ich finde das einfach cool«, endete ich etwas lahm.
Aaron streckte die Hand aus und drückte meinen Oberschenkel. »Absolut cool«, sagte er. Ein Stromstoß durchfuhr mich und vibrierte noch weiter in meinem Körper, auch nachdem Aaron die Hand weggezogen hatte. »Und was hast du an diesem Wochenende so vor?«, fragte er. Er gab sich besondere Mühe, möglichst beiläufig zu klingen.
Ich bemühte mich noch mehr. »Ich sortiere Bücher in der Stadtbibliothek, da jobbe ich. Und du?«
»Muss einen Essay schreiben. Echt öde.«
»Ich hab auch jede Menge Hausaufgaben. Meine Mum macht tierisch Druck und labert immer von Noten und dass ich besonders gut sein muss in der Schule, wenn ich Jura studieren will.«
»Willst du denn Jura studieren?«, fragte Aaron und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich rümpfte die Nase. »Nee, eigentlich nicht. Aber meine Eltern sind beide Anwälte, deshalb …«
»Deshalb was?«
»Na ja, ist ein guter Beruf, oder?«
»Kommt drauf an«, erwiderte Aaron. »Ich persönlich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen. Den ganzen Tag in einem Büro hocken. Akten. Auf den Computer starren.«
Weil ich fürchtete, er könnte mich jetzt vielleicht für lang weilig halten, sagte ich: »Eigentlich ist mein Traumberuf Schriftstellerin.« Das hatte ich noch nie so klar ausgesprochen, und ich fühlte mich sofort völlig bescheuert. »Aber daraus wird sowieso nichts.«
»Hey, so was solltest du
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