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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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es dir um diese Zeit des Jahres ganz besonders schlecht geht.
    So was in der Art hat Sandra jedenfalls gestern gesagt. Sie hat wieder angerufen, als ich auf dem Heimweg von der Schule war. Mir wurde ganz flau, als ich ihren Namen auf dem Handy sah, und offen gestanden wollte ich auch nicht drangehen, aber dann dachte ich, sie ruft vielleicht bei mir zu Hause an, redet mit Mum und lädt uns wieder ein. Deshalb meldete ich mich im letzten Moment, als ich grade vor der Kirche angekommen war und unter den blinkenden Engeln über der Hauptstraße hindurchging.
    Sandra sagte, sie hätte einen schlechten Tag. Vermutlich dachte sie, ich würde sie besuchen kommen, damit wir uns über ihren toten Sohn unterhalten konnten, aber ich sagte schnell, ich müsse für einen Kuchenwettbewerb etwas backen. Das war das Einzige, was mir gerade einfiel, weil ich Kochunterricht gehabt hatte und ein Stück Kuchen in der Hand hielt.
    »Ein Kuchenwettbewerb?«, wiederholte Sandra.
    Ich fürchtete plötzlich, dass ich mich verdächtig anhörte.
    »Einen ganz einfachen Kuchen«, sagte ich rasch. »Ohne Glasur. Und bestimmt eher trocken.«
    »Dann viel Glück dabei«, erwiderte Sandra. Sie klang unsicher. »Und komm mich doch vor Weihnachten noch mal besuchen, ja? Um diese Zeit des Jahres ist das alles so viel schwerer zu ertragen. Allein schon der Gedanke an ihn. Dass er da unter der Erde liegt, während alle anderen … Ich würde mich jedenfalls freuen, dich zu sehen.«
    »Ja, ich auch«, murmelte ich, obwohl ich nicht die geringste Absicht habe, sie zu besuchen, nicht heute und nicht morgen und auch an keinem anderen Tag meines Lebens, selbst wenn ich bis in alle Ewigkeit leben sollte, Amen.
    Das klingt vielleicht hart, aber ich kannte Sandra nicht mal richtig. Wenn ich alle Minuten zusammenzähle, dann haben wir alles in allem vielleicht zwei Stunden zusammen verbracht, bevor sie sich bei der Beerdigung an meinem Arm festhielt und sich ihre Fingernägel in meine Haut gruben. Unsere erste Begegnung war so kurz, dass sie nicht der Rede wert ist, und ich werde dir jetzt davon erzählen, Stuart, du musst dir also ulkigerweise vorstellen, wie ich im Kochraum in der Schule damit beschäftigt bin, ein Vollkornbrot zu backen.
    TEIL SECHS
    Als ich von der Waage aufschaute, fiel mein Blick auf braune Haare. Max. Im Zeichenraum nebenan, wo ich ihn durch die Glasscheibe sehen konnte. Mein Magen machte einen Purzelbaum und landete mit einem Plumps, der mein Hirn erschütterte. Alle vernünftigen Gedanken waren plötzlich wie Salzkörner verstreut. Salz hatte ich übrigens auch bei meinem Teig vergessen. Das Brot war eine Katastrophe, flach und angebrannt, man konnte es nur wegwerfen. Der Abfalleimer befand sich direkt neben dem Zeichenraum, und Max muss meine Anwesenheit gespürt haben. Als ich das Brot mit einem Messer vom Blech löste, schaute er von seiner Zeichnung auf, und ich winkte ihm zu. Leider hielt ich das Messer in dieser Hand und war außerdem so angespannt, dass ich kein Lächeln zustande brachte. Max sah mich also wohl mit steinerner Miene auftauchen und eine Stichwaffe schwenken und dann wieder verschwinden.
    Lauren konnte es kaum fassen.
    »Zu Max nach Hause. Nach Hause «, sagte sie immer wieder, und ich war begeistert von ihrem beeindruckten Tonfall. »Du gehst echt heute nach der Schule zu ihm nach Hause?«
    »Warum nicht«, sagte ich leichthin.
    »Und deine Mutter hat’s erlaubt?«, fragte Lauren, deren Schürze voller Mehl war.
    »Nicht so wirklich.« Ich gestand ihr, dass ich meinen Eltern erzählt hatte, ich sei in der Bücherei, um für ein Geografieprojekt über Flüsse zu recherchieren. »Die haben Geheimnisse vor mir, also brauche ich mir keine Gedanken zu machen, wenn ich auch welche habe.«
    »Gefährlich, gefährlich«, trällerte Lauren, und sie hatte so recht, Stuart, aber ich zuckte nur die Achseln – gleichgültig, wie man sagt – und erwiderte: »So eine kleine Lüge kann keinem schaden.«
    Als es klingelte, packte ich rasch meine Bücher ein und raste zum Radschuppen, wo wir uns verabredet hatten. Und ich konnte es kaum fassen: Ich ging zu Max nach Hause. Zu Aaron . Ganz ehrlich, ich hätte fast gekniffen, weil ich es mit der Angst zu tun bekam.
    Doch dann tauchte Max auf und sah so gut aus, und im Handumdrehen ging ich mit ihm durchs Schultor und hoffte, dass alle anderen Mädchen uns sahen.
    Aber hoffentlich nicht hörten. Jetzt war Max nämlich nüchtern, und unser Gespräch geriet ziemlich ins Stocken. Unser

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