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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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nicht sagen! Du bist zu jung, um zynisch zu sein.«
    »Ich bin nicht zynisch. Nur realistisch. Mit Schreiben kann man kein Geld verdienen«, sagte ich. Der Spruch meiner Mutter.
    »Ich denke, Joanne K. Rowling sieht das anders.«
    Ich lachte. »Aber glaub mir, meine Geschichte ist nicht so gut wie Harry Potter .«
    »Du hast schon was geschrieben? Erzähl mal.«
    »Niemals!«
    »Angsthase! Ich weiß, dass du Vögel lieber magst, aber da fällt mir kein passender ein.«
    Ich grinste. »Na schön. Die Geschichte heißt Wischel der Wuschelklops …«
    »Guter Titel.«
    »… und sie handelt von einem wuschligen blauen Wesen, das in einer Bohnendose lebt, bis eines Tages ein Junge namens Mod Bohnen auf Toast essen will und die Bohnen in eine Schale schüttet. Und da ploppt Wischel heraus. Ich habe das übrigens noch nie jemandem erzählt, und deshalb möchte ich, dass du absolut keinerlei Reaktion zeigst.« Was er wirklich tat. Wortwörtlich. Er saß reglos da und hielt sogar die Luft an. Ich verdrehte die Augen. »Na gut, ein bisschen reagieren darfst du schon.«
    »Puh.« Er stieß die Luft aus. »Ich war kurz vorm Ersticken.« Er stupste mich spielerisch mit der Schulter an. »Das klingt doch gut.«
    »Und was willst du später machen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln, und setzte mich rittlings auf die Mauer.
    »Keine Ahnung.«
    »Aber jeder hat doch irgendwelche Pläne«, sagte ich erstaunt.
    »Ich nicht.«
    »Dann willst du einfach nur deinen Collegeabschluss machen und dann …«
    »Und dann …« Aaron wedelte mit der Hand, »abwarten, was sich ergibt. Eine Weile überlegen. Ich muss doch nichts übereilen, oder?«
    Ich zupfte ein bisschen Moos von der Mauer und versuchte mir vorzustellen, wie Aaron in dreißig Jahren aussehen würde. Ernst. Verbraucht. Graue Haare an den Schläfen wie Dad. Es gelang mir nicht. Und erst recht nicht, als Aaron aufstand und mich auf der Mauer hochzog. Ich hielt mich an seinem Arm fest, um nicht runterzufallen.
    »Ich klettere gern auf Mauern«, verkündete er plötzlich.
    »Ähm … ich auch«, sagte ich, bemüht, das Gleichgewicht zu halten.
    »Ich mag den Winter und die Dunkelheit und Katzen und den Regen, und ich mag es, auf Berge zu steigen und oben im Nebel zu sitzen. Mehr muss ich zurzeit nicht wissen über mein Leben. Das ist alles sehr einfach und kostet mich nichts.«
    »Aber du brauchst doch Geld«, wandte ich ein. »Jeder braucht Geld.«
    »Stimmt. Aber nur genug zum Leben. Und vielleicht ein bisschen was extra, um eine Abenteuertour zu finanzieren. Das will ich übrigens tatsächlich machen, wenn ich mit dem College fertig bin. Eine große Reise. Mein Dad hat mir zum siebzehnten Geburtstag Geld geschenkt, damit ich mir ein Auto kaufen kann. Ich glaube, er hatte sich was anderes als DOR1S vorgestellt. Aber sie fährt prima, und den Rest des Geldes habe ich gespart für irgendwas, das Spaß macht.«
    »Das hier macht auch Spaß«, sagte ich geistesabwesend, weil ich darüber nachdachte, ob Mum und Dad sich früher wohl auch so gefühlt hatten, zu der Zeit, als sie sich noch Liebesbriefe schrieben.
    »Ja«, sagte Aaron und legte den Kopf in den Nacken. Es hatte zu nieseln begonnen. »Das macht auch Spaß.«
    Gerade als ich dachte, der Abend könne gar nicht mehr toller werden, hatte ich plötzlich ein Bild vor Augen. Von einem Parkplatz, über den zwei Menschen gingen. Die unter einer Straßenlaterne Halt machten. Sich im gelben Licht umarmten.
    »Ich muss los«, sagte ich abrupt und zerstörte die Stimmung, indem ich von der Mauer sprang. »Meine Mutter hat gesagt, dass ich um sechs wieder da sein muss.«
    Aaron blieb auf der Mauer stehen, streckte die Arme aus und balancierte auf einem Bein. »Da ist es ja gut, dass ich dich mitgenommen habe, sonst wärst du zu spät gekommen. Was hast du überhaupt da gemacht?«
    »Wie?«, fragte ich, obwohl ich ihn sehr wohl verstanden hatte. Ich blickte nach unten und strich meinen Rock glatt.
    »Was hast du nach der Schule in diesem Viertel gemacht? Ich wohne hier in der Nähe.«
    »Hab meinen Großvater besucht«, murmelte ich und wischte imaginäre Stäubchen vom Stoff.
    »In welcher Straße wohnt er?«
    Mir fiel kein Straßenname ein, deshalb sagte ich: »Er ist auf dem Friedhof neben der Kirche begraben.«
    »Oh. Tut mir leid.«
    »Kein Problem. Er hat jetzt seine Ruhe und seinen Frieden.« Das war auch nicht direkt gelogen, Stuart, denn im Krankenhaus zu sitzen und Wackelpudding zu verlangen ist ja wirklich nicht

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