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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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Mut von neulich Abend war völlig verflogen, und wir waren nur zwei Kids in einer Schuluniform, die durch den Nieselregen tappten, ohne Feuerwerk und alles.
    »Was hast du gestern so gemacht?«, fragte ich, als wir am Zebrastreifen standen und auf das kleine grüne Männchen warteten.
    »Hab Fußball gespielt.«
    »Wie ist das Spiel ausgegangen?«
    »Drei zu zwei für uns.«
    »Drei zu zwei für euch«, wiederholte ich, als das grüne Männchen erschien.
    »Wem winkst du?«, fragte Max, und tatsächlich war es so, dass ich die Hand durch die Luft schwenkte. Das war eine Gewohnheit von mir. Ich machte das immer für Dot, weil sie sich darüber freute: dem grünen Mann guten Tag sagen, als sei er ein echter Mensch mit einem echten Beruf und nicht nur Licht an einem Gerät.
    »Hab nur nach einer Stechmücke geschlagen.«
    »Es ist aber Winter.«
    »Dann eben nach einem Rotkehlchen«, witzelte ich, aber Max kapierte das nicht.
    Als wir bei ihm zu Hause den Gartenweg entlanggingen, achtete ich darauf, nicht auf die Alligatoren zu treten. Max schloss die Haustür auf, und es gab keinerlei Grund für mich, die Klinke anzufassen, aber ich machte es trotzdem, weil wir in Bio gerade die DNA durchnahmen und gelernt hatten, dass man sie hinterlässt, ohne es zu merken. Ich drückte den kalten Metallgriff und fragte mich, wie oft Aaron das wohl schon getan hatte.
    »Kommst du?«, fragte Max, zog seine Jacke aus und hängte sie an einen Haken in der Diele. Ich trat ins Haus, und die bunte DNA von Aaron kribbelte auf meiner Haut.

    »Also, ähm, möchtest du was trinken oder so? Orangensaft?«, fragte er. Ich nickte und horchte, ob ich jemanden im Haus hören konnte, aber es war still bis auf das Knacken von Heizkörpern in der Küche. Wir waren allein. Und die Straße vor dem Haus war leer.
    »Wo ist deine Mutter?«, fragte ich, obwohl es nicht ihr Auto war, an das ich dachte.
    »Bei der Arbeit«, antwortete Max und goss in der Küche Saft in zwei Gläser. Es war eine kleine Küche mit einem Tisch in der Ecke und zwei halbverdorrten Grünpflanzen auf dem Fensterbrett.
    »Und dein Vater?«
    »Wohnt nicht bei uns.«
    »Ach so, ja. Das hattest du gesagt. Tut mir leid«, fügte ich hinzu, weil Max’ Miene sich verdüstert hatte.
    »Spielt keine Rolle. Ist mir egal.« Er reichte mir ein Glas. »Er ist schon vor ein paar Jahren ausgezogen. Ich hab mich längst dran gewöhnt.« Ich trank mein Glas in einem Zug aus. Max auch. Die Gläser klirrten, als wir sie in die Spüle stellten. Draußen bellte ein Hund. »Mozart«, sagte Max. »Dämlicher Name für einen Hund.«
    »Sie hätten ihn Bach nennen sollen«, sagte ich grinsend. Max gab keine Antwort, deshalb fragte ich, wo das Klo war, obwohl ich gar nicht musste und es außerdem von der Party noch in Erinnerung hatte.
    »Ich zeig’s dir«, sagte Max und führte mich in das Badezimmer im Obergeschoss. Er gab einen komischen Laut von sich und starrte auf etwas neben dem silbrigen Spülhebel. Da hing eine leere Kartonrolle anstelle von Klopapier. »Ähm … ich hol mal welches«, sagte Max.
    »Nicht nötig.« Max zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Ich hatte nicht vor, irgendwas zu machen auf der Toilette, aber das wusste er ja nicht.
    »Sicher?«
    »Ja. Ich meine, nein. Ich brauch schon eine Rolle«, sagte ich. Max schaute mich noch erstaunter an. »Keine ganze Rolle«, fügte ich hastig hinzu. »Nur ein, zwei Blatt.«
    Für den Fall, dass Max zuhörte, tat ich so, als benutzte ich die Toilette tatsächlich. Ich spülte und drehte den Wasserhahn auf. Daneben lag ein winziges, fast aufgebrauchtes Seifenstück, und ich stellte mir vor, wie Aaron sich damit die Hände wusch. Ich beugte mich vor und roch daran, sog seinen Duft in mich ein. Dann steckte ich es in meine Jackentasche. Das hört sich jetzt vielleicht völlig verrückt an, Stuart, aber die Menschen machen ja alle möglichen verrückten Dinge, nicht wahr? Ich habe zum Beispiel in dieser Fernsehsendung, in der an öffentlichen Orten Kameras versteckt sind, mal gesehen, wie eine Frau in der Toilette eines vornehmen Restaurants zum Händetrockner tanzte und in der heißen Luft »Oh Johnny« stöhnte, wie in dem Film Dirty Dancing . Und als ich vor Dots Geburt mit Mum nach London zu einem Musical fahren durfte, wollte sie unbedingt zu dieser Stelle, wo die Beatles über die Straße gegangen waren. Das hört sich wie ein Witz an, aber es ist wirklich passiert. Auf einem Plattencover ist das Foto drauf.
    An diesem Fußgängerüberweg

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