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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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wir Soph an ihrer Schule absetzten, trottete sie los, ohne sich richtig zu verabschieden, und Dot winkte ihr fröhlich mit dem Arm, der eigentlich wehtun sollte.
    Max sah ich an diesem Tag zum ersten Mal beim Mittagessen in der Cafeteria, und ganz ehrlich, mir stockte der Atem, was völlig überraschend kam. Im einen Moment atmete ich noch normal, und im nächsten, nämlich als Max reinkam, mit klatschnassen Haaren und einem Fußball unterm Arm, funktionierte meine Lunge nicht mehr. Wir lächelten uns zu, als wir in der Essensschlange standen, und die Küchenfrau rief: »Der Nächste bitte!«
    »Salat?«, fragte Lauren, als ich mir eine Schale voller Grünzeug griff und sie auf mein Tablett stellte. »Du magst Salat doch gar nicht.«
    Ich starrte sie ärgerlich an. »Stimmt nicht. Ich liebe Salat.«
    Lauren starrte zurück. Sie schien Max nicht zu bemerken. »In Geschichte hast du mir noch erzählt, du hättest solchen Hunger, dass du deine eigene Oma verspeisen würdest, am liebsten frittiert und mit Pommes und Erbsenpüree.« Peinlich berührt blickte ich zu Boden, stellte den Salat zurück und nahm ein richtiges Essen.
    Den Rest der Mittagspause saß ich mit Lauren in unse rem überheizten Klassenzimmer. Wir zeichneten irgendwelches Zeug in unsere Tagebücher, und ich berichtete von Max, brachte sie zum Lachen mit der Geschichte über die Klorolle und trug ziemlich dick auf bei der Szene mit seiner Mutter im Flur. Aber über Aaron bewahrte ich Stillschweigen. Die Geschichte mit Max fühlte sich weniger intim an, ließ sich besser erzählen. Mit Aaron war das etwas anderes. Die Party, das Feuer, die Autofahrt – das alles hatte im Dunkeln stattgefunden, und solche Dinge ließen sich nicht so leicht offenbaren. Schon gar nicht in einem Klassenzimmer, in dem Jungs neben uns Frisbee spielten. Lauren zeichnete ein Haus und ich ein Smiley, dann zeichnete sie ein Herz und ich einen Hund und eine Katze, die ihre Schwänze zu einer großen Schleife verflochten.
    »Süß«, sagte Lauren und gähnte mit weit aufgerissenem Mund. Genau in diesem Moment kam das Frisbee angeflogen und knallte auf ihre Nase.
    Lauren stolperte ins Krankenzimmer, während ich drau ßen wartete. Ich griff nach einem Infoblatt über ungewollte Schwangerschaften bei Teenagern. Wie sage ich es meinen Eltern. Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir und fuhr herum. Max riss entsetzt die Augen auf, als er den Flyer sah, obwohl wir ja noch gar nicht so weit gegangen waren.
    »Jemand namens Gabriel hat mich besucht. Leuchtend. Große Flügel«, sagte ich.
    Max sah erst verwirrt und dann amüsiert aus. »Ich versteh deinen Humor zwar nicht immer, aber ich find ihn gut.«
    Er hockte sich auf den Boden. Sein Hemd war mit Schlamm verschmiert, und er roch nach Gras und Regen und seinem Aftershave. Als Max seine Socke runterzog, tippelten drei Mädchen aus unserem Jahrgang vorbei, flüsterten und kicherten und hielten sich aneinander fest, halb hysterisch vor Schwärmerei. Max’ Fuß war geschwollen, und ich berührte ihn vorsichtig und schaute zu den Mädchen hinüber. Sie schossen giftige Blicke in meine Richtung, was ich in vollen Zügen genoss.
    »Das fühlt sich gut an«, murmelte Max, und deshalb strich ich noch einmal über seinen Fuß.
    »Hast du zufällig mein Handy?«, fragte ich ihn. »Hab ich das bei dir liegen lassen?«
    Max schloss vor Schmerz die Augen. »Ja. Ist in meinem Spind. Wollen wir uns nach der Schule da treffen?« Er hörte sich nicht an, als habe sein Bruder das Handy gefunden. Und als ich sein Gesicht genau betrachtete, sah ich auch keine Blutergüsse.
    Ich hatte natürlich nicht im Geringsten die Absicht, Max zu küssen, als die Schulglocke läutete, aber man hat keine große Wahl, Stuart, wenn sich ein entschlossener Mund auf die eigenen Lippen presst und starke Hände einen an die Wand drücken. Und da fällt mir ein, dass du das vielleicht schon selbst erlebt hast, denn ich habe gehört, was in Männergefängnissen leider so alles geschieht. Selbst als ich protestieren wollte, gingen meine Worte in unserer Spucke unter, und ich habe mich auch nicht besonders angestrengt, sie wiederzufinden.
    An diesem Abend brach zwischen Mum und Dad ein Streit aus, den sie den Rest der Woche fortsetzten, in der Küche und im Wohnzimmer und im Badezimmer. Ich hörte durch die Wand, wie Mum so brutal mit der Zahnbürste im Mund herumfuhrwerkte, als wolle sie sich die Zähne ausschlagen. Dad verlangte, dass Mum sich einen Job suchte, aber Mum

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