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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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stressig.
    Ich öffnete die Beifahrertür, und Aaron sprang von der Mauer und nahm meine Tasche aus dem Auto. Unsere Finger streiften sich, als er sie mir reichte. Zehn Sekunden später hatten wir uns noch immer nicht bewegt, und meine Finger kribbelten wegen der ganzen bunten DNA .
    »An dieser Stelle würdest du mir jetzt deine Telefonnummer geben«, flüsterte Aaron. »Ohne dass ich dich darum bitten muss.« Mein Herz tat einen Sprung, aber ich zögerte, weil ich an das Mädchen mit den langen roten Haaren denken musste. »Oder ich geb dir meine? Du weißt schon. Nur, damit wir den Banküberfall planen können.«
    Ich musste grinsen. Ich konnte nichts dagegen tun. Meine Handynummer wusste ich nicht auswendig, weshalb ich anfing, in meiner Tasche herumzukramen. Bücher. Stifte. Ein Haarband. Ich tastete in allen Ecken herum. Büroklammer. Kaugummis. Ein Kronkorken.
    »Es ist nicht da«, sagte ich verwirrt und keuchte dann plötzlich erschrocken.
    »Was ist?«
    »Ich … ich muss es in der Schule vergessen haben.«
    Aaron holte einen Stift aus dem Handschuhfach. Dann nahm er meine Hand und schrieb seine Telefonnummer auf die Handfläche. Die Spitze des Stifts kitzelte mich, als Nullen und Siebener und Sechser und Neuner und andere Zahlen quer über meiner Lebenslinie und all den anderen Falten auftauchten, die von Wahrsagerinnen gedeutet werden. Die schwarzen Zahlen glänzten im Mondlicht, doch ich konnte nur an mein Handy auf Max’ Schreibtisch denken. Mit dem Foto von mir und Lauren als Hintergrund. Ich zog meine Hand zurück und hängte mir die Tasche um. Zwischen Aarons Augenbrauen bildete sich eine Falte, und ich wäre am liebsten hineingesprungen und hätte sie aufgeschüttelt wie ein Kissen, damit seine Stirn wieder glatt wurde.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er, und das war eine unmöglich zu beantwortende Frage, Stuart, aber zum zweiten Mal an diesem Abend wurde ich durch einen Krankenwagen gerettet.
    Denselben, den wir kurz zuvor gesehen hatten.
    Er kam aus der Fiction Road, meiner Straße, mit Blaulicht.
    Ich weiß nicht, ob du jemals im Krankenhaus in einem Wartezimmer sitzen musstest, Stuart, aber wenn du mich fragst: Das ist der schlimmste Ort auf der ganzen Welt. Es gab da eine abgewetzte Couch und einen klebrigen Tisch und einen überquellenden Abfalleimer und einen leeren Trinkwasserspender und eine dürre Grünpflanze, die kränker aussah als alle Patienten auf der Station zusammen. In der Blumentopferde lagen Zigarettenkippen, obwohl sechs Rauchverbotsschilder an der Wand hingen. Und ein Plakat über Lungenkrebs mit Abbildungen von Tumoren. Auf dem Tisch lag ein Stapel Infoblätter über Blasenschwäche, was vielleicht erklärte, weshalb die Schwestern das Trinkwasser nicht aufgefüllt hatten.
    Auf dem Flur hörten wir Stimmen, und Soph sprang auf und machte die Tür auf, aber es waren weder Mum noch Dad oder Dot, nur ein paar Ärzte, die mit Stethoskop um den Hals und wehenden weißen Mänteln vorbeieilten. In der Ferne hörte man ein Martinshorn, und das Metallgestell einer Krankentrage klapperte auf dem Asphalt, und irgendwo in der Nähe hörte man das Biiiiiiiiiip eines Herzmonitors, und ich flehte innerlich, dass es nicht der von Dot war.
    Bestimmt hast du schon mal vom sogenannten sechsten Sinn gehört, Stuart, so eine Art Ahnung, wenn man spürt, dass ein Mensch, den man liebt, in Gefahr schwebt. Vielleicht spürst du auch ein Stechen im Hals, wenn dein Bruder – über den du bestimmt nicht reden willst – Halsweh hat. Als ich den Krankenwagen sah, rannte ich jedenfalls sofort los, und Aaron rief mir nach, aber ich drehte mich nicht mehr um, weil ich eben diese Ahnung hatte. Und als ich auf unsere Zufahrt gelaufen kam, war Dot tatsächlich nirgendwo zu sehen, und Soph weinte.
    Mum war mit Dot im Krankenwagen gefahren und hatte Soph gesagt, sie solle hierbleiben. Aber das wollte ich nicht hinnehmen, deshalb rief ich ein Taxi, und wir sprangen rein, und Soph weinte ununterbrochen auf dem ganzen Weg zum Krankenhaus.
    »Sie ist runtergefallen«, schluchzte sie, und Tränen strömten ihr übers Gesicht. »Von ganz oben bis unten.«
    »Wo runtergefallen?«, flüsterte ich.
    »Die Treppe. Sie lag da auf dem Teppich und bewegte sich nicht mehr und …« Der Satz hing noch in der Luft, als wir im Krankenhaus ankamen und eine streng blickende Schwester uns zum Wartezimmer brachte.
    Nach einer Ewigkeit ging die Tür auf, und Mum stand da. Ihr Top hing aus ihrer Jeans.
    »Wie geht es Dot?«,

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