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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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vermutlich auf der ganzen Welt, und ich wurde magisch angezogen davon, denn dieser leucht ende Junge war das Zentrum meines Universums, zumindest aber viel interessanter als Bücher in einem staubigen Regal.
    Ich presste die Lippen zusammen und marschierte auf Aaron zu, doch er war so in seine Arbeit vertieft und ich so völlig neben der Spur, dass ich einfach an ihm vorbeilief. Als ich über seine Tasche stieg, streifte mein Schenkel beinahe seinen Arm, und ich stellte mir vor, wie Aarons Augen förmlich aus seinem Kopf sprangen, so wie in einem Cartoon. Ich hastete zum vordersten Tisch und hob mit zitternden Händen die Kiste mit den zurückgebrachten Büchern hoch, um irgendwas zu tun.
    Aber ich war so ungeschickt dabei, dass einige Bücher auf den Tisch fielen, und meine Chefin, Mrs Simpson, hinter ihrem Computer mahnend mit der Zunge schnalzte. Sturmhöhe , Bleakhaus , Vergebung . Ein Buch über die Berliner Mauer und eines über Kröten.
    »Vogelmädchen«, flüsterte jemand, und als ich mich umdrehte, stand Aaron direkt hinter mir. Er grinste, als ich rot anlief.
    »Die Bücher stellen sich nicht von selbst ins Regal zurück«, sagte Mrs Simpson streng. Ich griff nach zwei beliebigen Büchern aus dem Stapel und zupfte Aaron am Ärmel, damit er mir folgte.
    Bleakhaus von Charles Dickens.
D.
Belletristik, erster Stock.
    Ich weiß nicht, ob mir von der Wendeltreppe schwindlig wurde oder von Aarons Schritten hinter mir. Oben huschte ich zwischen zwei schmale Regale. Wir waren komplett allein dort oben. Jetzt merkte ich, wie sich die Röte auf meinem ganzen Körper ausbreitete und brannte.
    »Du hast nicht angerufen«, sagte Aaron.
    »Nein«, flüsterte ich. »Meine Schwester hat sich das Handgelenk gebrochen, ich bin nicht dazu gekommen.«
    »Ich verzeihe dir«, antwortete Aaron und schaute auf Ein Weihnachtslied im Regal. »Das seh ich in ein paar Wochen. Eine Musical-Version von Scrooge, mit meiner Mutter. Sie liebt das und schleift uns alle mit ins Theater. Max hat gar keine Lust drauf.«
    »Ich liebe Weihnachten«, sagte ich rasch, um von seinem Bruder abzulenken. »Truthahn und Geschenke und die Vorfreude und alles.«
    »Kannst du dich an dein schönstes Weihnachtsfest erinnern?«, fragte Aaron und lehnte sich ans Regal.
    »Klar. Wir waren in Frankreich, ich muss etwa sieben gewesen sein, und ich hab diesen Schneemann gebaut aus …«
    »Schnee?«, warf Aaron ein.
    Ich schob Bleakhaus in eine Lücke. »Liegt nahe, oder? Aber auch mit einem Croissant.«
    »Hast du grade Croissant gesagt?«
    »Na ja, ich hatte keine Banane oder so für seinen Mund, also musste ich improvisieren. Das kann ich ziemlich gut.«
    »Und hatte der Schneemann einen Namen?«, fragte Aaron. »Pierre vielleicht?«
    »Fred.«
    »Sehr französisch.«
    »Er sah aber aus wie ein Fred!«
    »Wie sehen Freds denn aus?«
    »Fröhlich«, sagte ich nach kurzem Überlegen. »Und alt. Wir haben dem Schneemann eine Schirmmütze aufgesetzt und eine Pfeife in das Croissant gesteckt. Eine selbstgebastelte, aus einem Ast … Was?«, fragte ich, weil Aaron mich mit eigenartigem Glitzern in den Augen ansah.
    »Nichts«, sagte er, aber da war sehr wohl etwas, und ich spürte, dass es etwas Gutes war.
    Er strich mit dem Finger über die Bücherrücken, und mein eigener Rücken begann zu kribbeln. Ich trat ein Stückchen vor und Aaron auch, und nun war nur noch ein Buch zwischen uns, Stuart, und zwar dieser dicke Band über die Berliner Mauer, über die man ja nicht klettern konnte, was du sicher weißt. Aaron lächelte, und ich lächelte, und dann wurden wir ernst. Mein Puls hämmerte in meinen Ohren, und ich beugte mich vor, und …
    »Entschuldigung.«
    Ich fuhr herum und erblickte hinter mir eine alte Dame im Anorak.
    »Ich suche ein Buch für meine Enkelin, die zu Besuch kommt. Könnten Sie mir etwas empfehlen?« Ich verzog entnervt das Gesicht, rannte nach unten in die Kinderbuchabteilung, zog irgendetwas aus dem Regal und drückte es der Frau in die Hand. Es war ein Bilderbuch mit dem Titel Molly Moo-Cow . Die alte Dame blinzelte. »Meine Enkelin ist sechzehn. Und Vegetarierin.«
    Als ich endlich ein passendes Buch gefunden hatte, tauchte Mrs Simpson auf. Sie trug eine hellgelbe Strickjacke mit Blumenknöpfen, und ihre Haare, zu einem akkuraten Bob geschnitten, umgaben ihr spitzes Gesicht wie ein Helm.
    »Im Büro müssen viele Leihscheine sortiert werden, Zoe«, sagte sie.
    »Aber ich muss das hier noch einordnen«, sagte ich und hielt das Buch über

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