Ketten der Liebe
durch den großen Raum schweifen und sah den warmen Widerschein der Kerzen, die teuren Stoffe und das prasselnde Feuer im Kamin. »Ich schmachtete sieben lange Jahre in einem dunklen Verlies und hatte nichts als Ratten um mich herum. Einmal am Tag gewährte man mir eine Art Grütze. Je nach Laune meiner Wärter wurde ich auf Geheiß des Mannes geschlagen, der mein Land besetzt hat. Meine Freunde, die Männer, die mich unterstützten, sind dort gestorben. Wir kommunizierten nur durch Klopfzeichen an dem alten Mauerwerk, und ich entkam durch einen Tunnel, den wir mit unseren bloßen Händen und verbogenen Löffeln gegraben hatten. Nur ich und ein Gefährte haben überlebt.« Er war näher an das Bett herangetreten.
Amy wäre am liebsten vor ihm zurückgewichen, aber die furchtbaren Einzelheiten seiner Kerkerhaft hatten sie ganz in Beschlag genommen.
»Ich schulde diesen Getreuen mein Leben«, sagte er. »Ich bin es ihnen schuldig, das Königreich zurückzuerobern, das mir dieser Bastard entrissen hat, der dort auf dem Thron sitzt. Sobald Sie mir helfen, werde ich dieses Haus verlassen. Ich werde unverzüglich aufbrechen, um unsere beiden Königreiche zu retten. Aber dafür brauche ich Sorcha.«
Konnte sie ihm vertrauen? Ja, er sah aus wie ein Mann, der sich seinem Schicksal mit unerschütterlichem Mut stellte. »Aber ich weiß nicht, wo sie im Augenblick ist.«
»Dann sagen Sie mir, wo Sie Sorcha vermuten. Aber ich bitte Sie, geben Sie mir keine falschen Informationen.« Er heftete seinen durchdringenden, von Wagemut gezeichneten Blick auf sie. »Als ich Clarice fragte, wo Sie sich aufhielten, konnte sie mir nichts Genaues sagen, aber ich versichere Ihnen, je länger Sorcha auf sich gestellt ist, desto größer ist die Gefahr, in der sie schwebt.«
»Also sind doch Mörder auf uns angesetzt?« War das die Bedrohung, die Amy und Clarice gefürchtet hatten?
»Ja.« Rainger musterte sie nachdenklich. »Aber woher wissen Sie das?«
»Von Godfrey, dem Höfling meiner Großmutter. Das war vor sieben Jahren.«
»Zu diesem Zeitpunkt waren Sie nicht in Gefahr«, erklärte er ihr knapp.
Amy wechselte Blicke mit Jermyn.
»Aber seit meiner Flucht aus dem Kerker werde ich verfolgt.« Doch Rainger wirkte nicht wie ein Gejagter, sondern eher wie ein Jäger. »Ich muss Sorcha finden und nach Hause bringen. Sie ist die Kronprinzessin. Sie ist meine Verlobte. Ich muss sie vor den Altar führen. Wir müssen Kinder zeugen und eine Dynastie fortsetzen.«
»Haben Sie auch daran gedacht, dass sie das vielleicht alles gar nicht will?«, gab Amy zu bedenken.
»Und haben Sie daran gedacht, dass sie eine Prinzessin ist und ihre Pflicht erfüllen muss?« In etwas weicherem Ton fügte er hinzu: »Können Sie sich denn nicht vorstellen, dass sie sich danach sehnt, Königin zu werden?«
Sorcha war für Amy die weichherzige, liebe und gehorsame ältere Schwester. Würde die Ehe mit diesem Prinzen ihr guttun, oder würde sie todunglücklich werden?
Rainger berührte das silberne Kreuz von Beaumontagne, das Amy immer um den Hals trug. »Wie dem auch sei, jede Hilfe wird ihr Leben retten.«
»Amy, dir bleibt keine andere Wahl«, sagte Jermyn. »Du musst schon Sorcha überlassen, wie sie sich entscheidet, und dem Prinzen sagen, was du weißt. Wenn sie dir ähnelt, dürfte er es schwer haben, um ihre Hand anzuhalten.«
Sie grinste. »Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst.«
Jermyn stützte sich mit beiden Fäusten auf der Matratze ab und lehnte sich mit einem unzweideutigen Lächeln vor.
Rainger räusperte sich vernehmlich.
Daraufhin richtete Jermyn sich rasch auf und verschränkte die Arme vor der Brust, als müsse er seine Geliebte bewachen.
»Also gut, hören Sie mir zu, Rainger.« Sie holte hörbar Luft. »Ich bin mir nicht sicher, wo sie sich aufhält. Absolut nicht. Aber Clarice und ich haben gemutmaßt, wo Sorcha sein könnte. Denn Großmutter hat sie bestimmt in einer Abtei versteckt. Sorcha ist die Kronprinzessin, und obwohl wir alle in Sicherheit gebracht wurden, war der Schutz für Sorcha oberstes Gebot. Aber in England liegen die Abteien sehr verstreut, manche sehr abgelegen. Wir begannen im Süden mit der Suche und arbeiteten uns langsam nach Norden vor. Als wir an die schottische Grenze kamen, erkundigten wir uns, wo die nächste Abtei liege. Man gab uns keine Auskunft und behandelte uns wie Diebesgesindel. Später verließ ich Edinburgh mit einem Schiff. Einer der Seeleute stammte aus den Highlands und erzählte von
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