Ketten der Liebe
auf. Sie holte ein weiches Hemd hervor. Sie schloss die Schublade und zog die nächste auf. Aus dieser nahm sie ein Halstuch und arbeitete sich weiter vor, indem sie aus den folgenden Schubladen Strümpfe und Unterwäsche entnahm, sodass der Stapel langsam wuchs.
Jermyn hielt vor Spannung den Atem an. Er konnte den Blick nicht von Amy losreißen. Bis hierhin hatte sie sich an seine Anweisungen gehalten. Jetzt wartete er darauf, dass sie auch seinen letzten Wunsch erfüllte.
In der obersten Schublade der Kommode neben meinem Bett befindet sich ein kleines Kästchen. Darin ist alles enthalten , was wir brauchen, um unsere gemeinsame Nacht so angenehm wie möglich zu machen ... lassen Sie einfach alles andere liegen , und bringen Sie das Kästchen mit.
Er versuchte, ihr seinen Willen aufzuzwingen. Amy, nimm die kleine Holzkiste. Nimm sie. Wenn Gedanken Macht hatten, dann würde sie diese Aufforderung befolgen.
Sie wickelte die Kleidungsstücke in braunes Papier und verschnürte den kleinen Stapel wie ein Päckchen mit einem Band. Dann steckte sie dieses Päckchen in einen großen Kleidersack, den sie von ihrem Gürtel hakte, und hielt auf den Wohnraum zu.
In seiner Enttäuschung hätte Jermyn am liebsten mit der Faust gegen den Schrank gehämmert.
Warum konnte diese Frau nicht wenigstens einmal das tun, was man von ihr verlangte?
In der Tür zögerte sie.
Jermyn schöpfte neue Hoffnung. Tu es , drängte er sie in Gedanken. Nimm es.
Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Kommode neben dem Bett. Jermyn meinte zu sehen, wie Amys Vernunft mit ihren Sehnsüchten stritt.
Hatte er den Köder mit genug Begehren ausgelegt? Hatte er den zahmen, willigen Mann glaubwürdig genug gespielt?
Mit einem unterdrückten Laut des Unmuts eilte sie zurück zur Kommode. Rasch hatte sie die besagte Schublade aufgezogen, nahm das Kästchen an sich und starrte es an, als halte sie eine giftige Schlange in der Hand. Voller Unruhe schaute sie sich im Raum um, ehe sie das Kästchen auf der Kommode abstellte und vorsichtig den Deckel anhob. Neugierig holte sie das kleine, mit Gold und Blau verzierte Fläschchen heraus, entfernte den Korken und hielt sich die Phiole unter die Nase.
Jermyn bevorzugte eine Mischung aus Lorbeer und Gewürzen, und nun hielt er den Atem an, als er Amys Miene sah, denn voller Spannung wartete er auf ihre Reaktion.
Wenn ihr der Duft nicht zusagte, würde sie das Fläschchen gewiss an seinen Platz zurücklegen, da hatte er keine Zweifel.
Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen. Vergnügen zauberte ein zartes Lächeln auf ihre Lippen.
Sie mochte den Duft.
Und er hoffte, sie möge diesen leicht exotischen Duft mit ihm in Verbindung bringen, mit jenem Tag, an dem sie ihn entführt hatte. Das wäre wahrlich eine süße Rache.
Rasch drückte sie den kleinen Korken wieder in die Phiole, legte sie wieder in das Kästchen und steckte es in die Tasche.
Die beiden Männer beobachteten, wie sie das Schlafgemach verließ. Das Klicken der Tür verriet Jermyn, dass nun niemand mehr im Zimmer war. Vorsichtig entstieg er dem Wandschrank, spähte durch die Flügeltür in den Wohnraum und sah sich in seiner Vermutung bestätigt.
Die Suite war leer.
Jermyn wandte sich dem leicht verdutzt dreinblickenden Biggers zu und sagte: »Rasch, mein Bester. Ich brauche ein Bad!«
Das Mondlicht flutete durch das Fenster von Amys kleiner Schlafkammer und beleuchtete schwach das schmale Bett und die spärliche Einrichtung. Sie hatte sich nie eingeengt gefühlt, aber in dieser Nacht schien der Raum sie zu erdrücken. Ihr kam es so vor, als könne Northcliff ihr beibringen, schwerelos in den Lüften zu schweben, wenn sie sich nur traute, die Gelegenheit zu nutzen.
Amy schlang die Arme um das Kissen und starrte auf das dunkle Kästchen, das auf dem Tisch stand.
Großmutter, Papa und ihre Schwestern hatten immer befürchtet, Amy wäre wild und töricht, aber Amys Ansicht nach waren die Dinge, über die die anderen sich den Kopf zerbrachen, unbedeutend. Sie scherte sich eben nicht um ihre Manieren, war wagemutig und spontan.
Aber womöglich hatte Großmutter recht. Vielleicht deutete Amys Vorliebe für schnelles Laufen, ausgelassenes Tanzen und lautes Singen doch auf ein ungezügeltes Wesen hin.
Sie warf sich von einer Seite auf die andere und erstarrte gleichsam, als sie Northcliffs Stimme in ihrem Kopf hörte. Wissen Sie eigentlich , dass ich Ihre Schritte hören kann , wenn Sie morgens auf stehen? Dann male ich mir aus ,
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