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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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000 solcher Rohre innerhalb … einiger Wochen ein Pfund von genügend reinem Uran 235 herstellen ließ. Wir starrten uns an, und es wurde uns bewusst, dass sich eine Atombombe vielleicht doch bauen ließ» [Frs:161]. Peierls präzisiert nun Frischs ursprüngliche Daten und findet heraus, dass die Kettenreaktion im viermillionsten Teil einer Sekunde ablaufen müsste, damit die zwei Pfund Uran auch tatsächlich explodierten und nicht nur verpufften. In dieser unfassbar geringen Zeitspanne mussten die voraussichtlich entstehenden achtzig Neutronengenerationen «Temperaturen erzeugen, die so hoch wären wie die Hitze im Sonneninneren, und einen Druck, der höher wäre als im Erdkern, wo Eisen sich verflüssigt» [Rho:322].
    Im März 1940 drängt Mark Oliphant seine beiden Deutsch sprechenden enemy aliens , ihre Erkenntnisse einem Berater der kriegsführenden englischen Regierung anzuvertrauen. Und so entwerfen Frisch und Peierls ein Memorandum über eine fünf Kilogramm schwere «Superbombe» mit einer Sprengkraft von «mehreren tausend Tonnen Dynamit». Vor dieser explosiven Gewalt gäbe es keinen Schutz. Kein Bauwerk hielte ihr stand. Die Atombombe würde vermutlich das Zentrum einer großen Stadt dem Erdboden gleichmachen und eine Strahlungsenergie hervorbringen, die «noch lange Zeit nach der Explosion für jedes Lebewesen tödlich wäre». Einen Tag danach sei die Umgebung so stark verstrahlt, als seinen «hundert Tonnen Radium» im Einsatz gewesen. Frisch und Peierls erkennen die fatale Wirkung von Regen und Wind. In den Erdboden gespülte und durch die Luft geisternde Radionuklide stellten auch noch langfristig eine Gefahr dar. Angesichts dieser Szenarien verbiete sich der Besitz einer solchen Waffe «für dieses Land» von selbst, schreiben Frisch und Peierls. Andererseits sei der einzig vorstellbare Schutz gegen die Atombombe «die Drohung, mit einer ähnlichen Waffe Vergeltung zu üben» [www 1 ].
     
    Im Sommer 1940 wird auf dem Gelände des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biologie in Dahlem eine Laborbaracke errichtet. Es ist eine schlichte Holzkonstruktion von knapp 40 Quadratmetern Grundfläche. Die Wände sind drei Meter hoch. Fast idyllisch zwischen Kirschbäumen gelegen und vor neugierigen Blicken geschützt, vermutet wohl kaum jemand Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz vom benachbarten Institut für Physik als Bauherren des unscheinbaren Häuschens. Stromkabel, Wasser- und Kanalisationsrohre sind an die Installationen des «Virusgewächshauses» [Hei 4 :435] angeschlossen, das zum Institut für Biologie gehört. Und so nennen die Physiker ihr ausgelagertes Atomlabor schließlich auch «Virushaus». Das an diesem Ort konzentriert nachweisbare Virus ist immaterieller Art, aber deshalb nicht weniger virulent. Es ist die ansteckende Idee der Neutronenvermehrung, die zur Energieerzeugung und zur Plutoniumproduktion führen soll. Im rückwärtigen Teil des Virushauses ist ein drei Meter breites und zwei Meter tiefes Loch in den Boden gegraben, rundum ausgemauert und mit Wasser gefüllt. Ein Portalkran überspannt die Brunnengrube. Im Oktober werden die Barrackenwände mit einem Isolierstoff ausgekleidet. Eine Ofenheizung hilft den Atomphysikern durch den Winter.
    Inzwischen stehen ihnen ansehnliche sechs Tonnen Uranoxid aus dem erbeuteten belgischen Rohstoff zur Verfügung. Unter der Leitung von Werner Heisenberg ordnen die Forscher ihr Präparat 38 und Paraffin in horizontalen Schichten in einem wasserdichten Aluminiumbehälter von kreiszylindrischer Form an. Durchmesser und Höhe betragen eineinhalb Meter. Im Zentrum dieser «Glocke», wie Heisenberg die Apparatur nennt, ist die Neutronenquelle befestigt. Mit Hilfe des Krans wird der Versuchsreaktor in die Brunnengrube versenkt. Das Wasser soll die Neutronen absorbieren und reflektieren, die aus dem Behälter entkommen. Doch der erhoffte Erfolg bleibt aus. In dieser Schichtenanordnung werden mehr Neutronen verschluckt als zur Spaltung freigesetzt. Heisenberg kommt in seinem Bericht an das Heereswaffenamt zu dem Schluss, dass normales Wasser kein geeigneter Moderator sei, schweres Wasser hingegen eine vielversprechende Alternative zum Kohlenstoff biete.
    Der Chemiker Sir Henry Tizard ist einer der ranghöchsten Berater der englischen Regierung. Er beurteilt wissenschaftliche Forschungen nach ihrem militärischen Nutzen. Das Memorandum von Otto Robert Frisch und Rudolf Peierls elektrisiert Tizard und die Wissenschaftler, die er eigens in ein

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