Ketzer
beiseitezuschaffen. Ich hatte Rowland bereits gesagt, dass ich die verloren geglaubte Schrift von Hermes Trismegistos gefunden hatte, das Buch, das sich Ficino zu übersetzen geweigert hat, weil er nicht für die Konsequenzen für das Christentum verantwortlich sein wollte. Aber ich fürchte, unser guter Master Jenkes hat mir nicht geglaubt, bis ich es in seine Hände legen konnte.«
Jenkes hob eine Hand, wie um sich von jeglicher Schuld freizusprechen. »Sowie ich das Buch gelesen hatte, zweifelte ich nicht mehr an seiner Echtheit«, sagte er. »Es war das Buch, für das Cosimo de Medici ein Vermögen bezahlt hat, damit es aus den Ruinen von Byzanz fortgeschafft wurde, nur kam er nicht mehr dazu, es zu lesen. Und ich kannte einen Mann, von dem ich wusste, dass er zahlen würde, was immer ich verlangte, um es seiner Sammlung einverleiben zu können.«
»Sein Name dürfte Euch nicht ganz unbekannt sein«, warf Bernard verschlagen ein. »Er war nämlich der Lehrer Eures Freundes Philip Sidney. Ich spreche von dem Hexenmeister John Dee, dem Astrologen der häretischen Bastardhure Elisabeth.«
»Dann …« Ich blickte verwirrt von ihm zu Jenkes, während meine Hoffnung weiter schwand. »Dann hat John Dee das Buch? Ihr habt es ihm verkauft?«
»Ja und nein.« Jenkes trat vor und hob die Hände, um seine Hilflosigkeit in dieser Angelegenheit zu demonstrieren. »Ich verkaufte ihm das Buch für eine sehr große Summe; wir hatten Briefe gewechselt, und Dee reiste persönlich nach Oxford, um
das Geschäft abzuwickeln. Doch es kam zu einem unglücklichen Zwischenfall: Entweder hatte die göttliche Vorsehung oder irgendeine andere Macht die Hand im Spiel.«
»Wie meint Ihr das?« Ich war dieses Katz-und-Maus-Spiels überdrüssig. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich Humphrey Pritchard an der Wand neben dem schwarz verhängten Fenster lehnen und sich Oblatenkrümel aus den Zähnen picken. Ich fragte mich mit einem Anflug von Unbehagen, warum er noch immer hier war und Jenkes und Bernard nichts gegen seine Anwesenheit einzuwenden hatten.
»Auf dem Rückweg nach London wurde Dee von Straßenräubern überfallen und übel zugerichtet. Er konnte sich glücklich schätzen, mit dem Leben davongekommen zu sein, aber all seine Habseligkeiten wurden gestohlen, darunter auch das bewusste Manuskript.«
Jenkes erzählte das alles vollkommen unbeteiligt, zugleich schnippte er nahezu unmerklich mit den Fingern, woraufhin Humphrey langsam auf uns zukam.
»Und das war Euer Werk?« Ich drehte mich um, um Humphrey im Auge behalten zu können. »Habt Ihr Euch das Manuskript zurückgeholt?«
»Ich?« Jenkes tat gekränkt. »Traut Ihr mir eine derart hinterhältige Tat zu, Bruno? Ich versichere Euch, dass ich in geschäftlichen Dingen stets ehrlich und außerdem nicht so dumm bin, mir einen Günstling der Königin zum Feind zu machen.« Bei diesen Worten streifte er mich mit einem eigentümlichen Blick und wechselte einen weiteren mit Bernard. »Nein, wie es aussah, hatte nicht nur Doktor Dee Interesse an dem Manuskript, und diese andere Person war entschlossen, es sich um jeden Preis zu verschaffen.«
»Wo ist es dann jetzt?«, wollte ich wissen. »Wenn Ihr es nicht habt, wozu dann diese ganze Scharade? Wieso sollte ich meine Börse mitbringen?« Aber noch während ich sprach, kam mir eine Erkenntnis, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich fuhr zu Humphrey herum, aber ich war nicht schnell genug,
er packte mich und drehte mir die Arme auf den Rücken, bevor ich mich unter seinem Griff hinwegducken konnte. Im selben Moment stürzte sich Jenkes auf mich und riss mir das Messer mit dem silbernen Griff aus dem Gürtel. Er presste mir die Spitze gegen die Kehle, während er mit der anderen Hand in mein Wams griff, Walsinghams Börse hervorzog und sie in die Luft warf und wieder auffing, um ihr Gewicht zu prüfen. Bernard stand einfach nur dabei und betrachtete uns mit unbeteiligter Miene.
»Wenn Ihr zu schreien versucht, schlitze ich Euch wie einem Schwein die Kehle auf, noch ehe Ihr einen Ton herausbringt«, zischte Jenkes, dabei verstärkte er den Druck des Messers.
»Dann war alles eine Lüge?«, knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen, während ich mich vergeblich in Humphrey Pritchards eisernem Griff zu winden versuchte. »Die Geschichte von dem Buch?«
»Aber nein.« Jenkes wirkte fast verletzt. »Diese Geschichte ist in allen Punkten wahr, Bruno. Das Buch wurde John Dee von jemandem gestohlen, der gewusst haben muss,
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