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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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der uns alle vernichtet sehen möchte.« Dann riss er das Messer mit einer raschen Bewegung zur Seite, einen Moment später schoss ein sengender Schmerz an meinem Hals empor, und Jenkes hielt mir die Klinge vor die Augen. Sie war mit scharlachroten Spritzern übersät. »Seht nur, wie Ihr beim Anblick Eures eigenen Blutes zittert. Es ist nur ein Kratzer«, winkte er dann geringschätzig ab. »Ihr habt Euch beim Rasieren bestimmt schon schlimmer geschnitten. Aber jetzt seht Ihr, wie stark Ihr
schon blutet, wenn man Euch nur die Haut aufritzt. Was meint Ihr, was für ein Blutsee entsteht, wenn ich Euch die Kehle durchschneide?«
    Ich schloss die Augen, während ich in Gedanken fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. Mir fiel keine ein.
    »Wenn Thomas Allen Eure Gruppe zersprengen möchte, warum meldet er den Behörden dann nicht einfach, was er weiß?«
    »Ah.« Jenkes musterte mich forschend. »Ich sehe, dass Ihr vieles noch nicht wisst, Bruno. So einfach ist das nicht. Er kann es nicht selbst tun. Aber ich darf nicht zulassen, dass Ihr weitergebt, was er Euch über uns erzählt hat.«
    »Wenn Ihr entschlossen seid, mich zu töten, dann verratet mir doch vorher, warum Ihr diese Männer am Lincoln umgebracht habt«, bemerkte ich so gleichmütig, wie es mir möglich war. »Nur, damit meine Neugier befriedigt ist.«
    Jenkes runzelte die Stirn, dann blickte er zu Bernard hinüber, als suche er dessen Zustimmung.
    »Was für eine merkwürdige letzte Bitte, Bruno. Und eine, die ich nicht erfüllen kann, denn ich habe weder Mercer noch Coverdale noch den Jungen getötet, und ich weiß auch nicht mit Sicherheit, wer es war. Die Antwort würde mich genauso interessieren wie Euch.«
    »Warum wollt Ihr dann verhindern, dass jemand sie findet? Die Toten sind regelmäßig hierher zur Messe gekommen, nicht wahr? Coverdale und Mercer, sie gehörten zu Eurer Gruppe. Kümmert es Euch denn gar nicht, dass sie auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen sind und noch mehr von Euch in Gefahr schweben könnten?« Mein Blick schweifte von einem der Männer zum anderen. Die Schnittwunde an meinem Hals brannte jetzt wie Feuer.
    »Ihr Tod hat zu viele Fragen aufgeworfen«, sagte Bernard mit derselben klaren, ernsten Stimme, mit der er die Messe gelesen hatte. »Oxfordmänner wissen, dass man solche Fragen besser nicht beantwortet, aber Ihr seid kein Oxfordmann, und Euer Beharren darauf, die Wahrheit ans Licht zu bringen, würde uns
am Ende alle auffliegen lassen. Es tut mir leid, aber Eure Neugier wird nun Euren Untergang herbeiführen.«
    Er klang aufrichtig betrübt, als er das sagte. Einen Moment drehte sich der Raum um mich, und mein Herzschlag schien auszusetzen. Ich verlor jegliches Gefühl in Armen und Beinen, als mir klar wurde, dass sie mich wirklich töten wollten und ich mich wahrscheinlich nicht mehr aus dieser misslichen Situation würde herausreden können. Zur gleichen Zeit drohte ich die Gewalt über meinen Darm zu verlieren, aber ich spannte alle Muskeln an und beherrschte mich. Ich wollte mich auf keinen Fall auf diese Weise beschämen.
    »Aber«, keuchte ich nach Atem ringend, »dann ist dieser Mörder Euer Feind: Er sorgt dafür, dass so viele Fragen gestellt werden! Er hat mit Coverdales Blut das Zeichen des Catherine Wheel an die Wand gemalt, um mit dem Finger auf Eure Gruppe zu deuten! Es kann Euch doch nur dienlich sein, wenn ich versuche, ihn zu finden.«
    Bei der Erwähnung des Symbols wechselten die beiden Männer einen scharfen Blick. Bernards Züge verhärteten sich, Jenkes schien zum ersten Mal, seit er auf mich losgegangen war, seiner Sache nicht mehr ganz sicher zu sein.
    »Sagt das noch einmal«, zischte er, dabei bohrte er das Messer in die Schnittwunde, die er mir zugefügt hatte. Ich sog vor Schmerz vernehmlich den Atem ein und hatte Mühe, einen Aufschrei zu unterdrücken. Bernard trat einen Schritt vor und schüttelte leise den Kopf, woraufhin Jenkes das Messer ein Stück zurückzog. »An die Wand, sagt Ihr? Wie viele Leute haben es gesehen?«
    »Abgesehen von mir nur Rektor Underhill und der Quästor Slythurst«, flüsterte ich. »Der Rektor hat es entfernt, bevor der Coroner kam.«
    »Gut.« Bernard nickte vor sich hin. »Nun, Rowland, lasst uns diese Sache zu Ende bringen und dann verschwinden, sonst riskieren wir, gesehen zu werden.«
    »Nein, wartet!«, rief ich. »Ich kann Euch helfen, den Mörder
dingfest zu machen, wenn Ihr mich zur Universität zurückkehren und meine Suche fortsetzen lasst.

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