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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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dass er es bei sich trug. Aber wer auch immer der Angreifer war, er stand nicht in meinen Diensten, und ich bezweifle, dass Dee je herausgefunden hat, wohin das Manuskript geschafft wurde. Aber all das geht mich nichts mehr an. Nein, ich habe Euch nicht belogen, Doktor Bruno. Ich glaube allerdings nicht, dass Ihr dasselbe von Euch behaupten könnt.«
    »Ich weiß nicht, was Ihr meint.« Meine Stimme klang schrill vor Panik, als sich die Messerspitze tiefer in meine Haut bohrte. »In welchem Punkt soll ich denn gelogen haben?«
    »Woher habt Ihr dieses Geld?« Jenkes hielt die Börse in die Höhe und schüttelte sie. Seine ölige Höflichkeit war gänzlich von ihm abgefallen. »Wieso kommt ein verbannter, umherziehender Philosoph mit einer so prallen Börse nach Oxford, frage ich mich. Wer bezahlt Euch?«
    »Ich verfüge über ein Stipendium des Königs von Frankreich«, fauchte ich, dabei versuchte ich immer noch, meine
Arme zu befreien. Humphrey verstärkte seinen Griff, und ich erkannte, dass ich mir nur selbst die Schultern auskugeln würde, also gab ich meine Gegenwehr auf und starrte Jenkes an. »Ich reise unter seinem Schutz, jeder wird Euch das bestätigen.«
    »Ihr reist mit Sir Philip Sidney, der unter dem Schutz seines Onkels Robert Dudley steht, des Earls of Leicester und Liebhabers der Hure Elisabeth. Und sowohl Dudleys Interesse als auch das des Kronrats besteht einzig und allein darin, Oxford von denen zu säubern, die dem Papst die Treue halten. Und diese Leute sollt Ihr für ihn aufspüren wie ein Schwein die Trüffeln, nicht wahr?« Er trat näher und hob den Ellbogen, sodass ich den Kopf, so weit es ging, nach hinten biegen musste, sonst hätte sich das Messer in meinen Hals gebohrt.
    »Ich weiß nichts von den Interessen des Earls, ich habe den Mann noch nie zu Gesicht bekommen!«, krächzte ich. Ein scharfer Schmerz schoss durch die Anspannung an meinem Hals entlang.
    »Ihr verstellt Euch gut, Bruno, aber das hatte ich auch nicht anders erwartet. Nur einem außergewöhnlichen Mann gelingt es, der Inquisition sieben Jahre lang zu entkommen. Aber mich täuscht Ihr nicht. Ihr seid ein Abtrünniger und ein Ketzer, und Ihr wollt Euch an der katholischen Kirche bereichern und rächen, indem Ihr die verratet, die dem Glauben treu bleiben, den Ihr verhöhnt.«
    »Ihr habt keine Veranlassung, mir derlei Dinge zu unterstellen«, protestierte ich. Das fanatische Glühen in Jenkes’ Augen jagte mir Angst ein. »Warum haltet Ihr mich hier fest und schleudert mir Eure Beschuldigungen entgegen?«
    »Warum?« Er stieß ein kurzes, abgehacktes Lachen aus und trat einen Schritt zurück, löste das Messer aber nicht von meinem Hals. »Wegen Eurer Freundschaft mit Sidney und dem Geld, mit dem Ihr Eure Informanten bezahlt. Erklärt mir doch, warum Ihr Euch so für die Todesfälle an der Universität interessiert? Weshalb wollt Ihr unbedingt den Mörder finden – oder für wen?«

    »Was für Informanten?« Ich taumelte unabsichtlich nach vorne, woraufhin ein stechender Schmerz durch meine Schultern zuckte, als Humphrey meinen Arm stärker verdrehte. »Die Darstellung der Umstände von Doktor Mercers Tod hat mich nicht überzeugt, das ist alles, und ich dachte, es könnten noch andere in Gefahr schweben, wenn der Mörder nicht gefasst wird. Was dann ja auch der Fall war«, schloss ich spitz.
    »Welch rührende Nächstenliebe«, spöttelte Jenkes, fast ohne die Lippen zu öffnen. »Gut, versuchen wir es mit einer anderen Frage. Warum habt Ihr Thomas Allen eingeladen, mit Euch zu essen?«
    Mein Gesicht musste meine Überraschung verraten haben, denn er lächelte dünn und legte den Kopf zur Seite.
    »Ist Euch nie aufgefallen, Bruno, dass ein Blinder ein Gehör wie ein Hund entwickelt, um den Verlust seines Augenlichtes auszugleichen? Ich, der ich keine Ohren mehr habe, kompensiere das durch viele Augen, die in jede Ecke blicken können.« Er lachte so trocken, als hätte er den Satz zuvor geprobt. Als ich keine Reaktion zeigte, kam er wieder näher und verstärkte den Druck des Messers. »Was habt Ihr Allen gefragt? Was hat er Euch erzählt?«
    »Nichts von Bedeutung«, keuchte ich, dabei versuchte ich, den Hals von der Messerklinge wegzudrehen. »Er sprach über sein Studium, über seine Befürchtungen, kein Mädchen zu finden – Belanglosigkeiten, die einen jungen Mann so beschäftigen.«
    »Lügt mich nicht schon wieder an«, versetzte Jenkes kalt. »Ihr habt Euch absichtlich an den einen Mann in Oxford gewandt,

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