KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Beton.
Geräuschlos schlichen die Männer – und die einzige Frau – auf ihr Zielobjekt zu. P. J. Rutherford, ihre beste Scharfschützin, bezog Position und richtete das Gewehr auf die Wachtürme. Sie hob zwei Finger, um zu signalisieren, dass auf den beiden westlichen Posten jeweils zwei Mann standen.
David Coletrane, kurz: Cole, befand sich eine halbe Meile vor P. J. und hatte die beiden östlichen Türme im Visier. Steele, P. J.s und Coles Teamleiter, reckte eine Faust empor als Zeichen, dass alle bereit waren.
Donovan und Garrett verschwanden in südlicher Richtung. Ihre Aufgabe war es, Sprengsätze anzubringen, für Ablenkung zu sorgen und ansonsten jeden auszuschalten, der ihnen in die Quere kam.
Steele und der Rest seines Teams würden den nördlichen Abschnitt übernehmen.
Sam und Ethan überwachten das chaotische Lager vor ihnen, beobachteten jede der strohgedeckten Hütten. Sam hielt einen Finger hoch und deutete auf die drei nördlichen Hütten, dann zeigte er auf Ethan und die vier Hütten im südlichen Teil. Ethan nickte und ging in die Hocke, um auf den Beginn des Feuerwerks zu warten.
Er musste jedes Quäntchen seiner durch langes Training erworbenen Disziplin aufbringen, um auszuharren und nicht einfach ins Lager zu stürmen, aus allen Rohren zu feuern, mit Granaten um sich zu schmeißen und alles dem Erdboden gleichzumachen. Das wäre ihm nach wie vor am liebsten gewesen. Diese Schweine hatten keine Gnade verdient. Leider wussten sie nicht, in welcher Hütte Rachel steckte, deshalb war das Risiko hoch, dass sie in die Schusslinie geriet. Sonst hätte Ethan gesagt: Scheiß auf den Plan, machen wir das Dorf platt.
Sam blickte auf die Uhr und gab dann Ethan das Zeichen, dass es in zwei Minuten losging.
Ethans Blick schweifte über das dichte Geflecht aus Blättern und Schlingpflanzen, aber außer Sam und P. J. konnte er niemanden entdecken. Eine Minute vor Beginn der Aktion würde P. J. die Wachposten erledigen, danach würden sie und Cole jeden erschießen, der sich Ethan und Sam in den Weg stellte.
P. J. war eine interessante Frau. Als Sam ihm von ihr erzählt hatte, hatte er sich eine eher hässliche und korpulente Person mit Bürstenhaarschnitt und jeder Menge Tätowierungen vorgestellt. Tatsächlich aber sah sie sehr gut aus und auch ausgesprochen weiblich. Dass sie eine überaus fähige Scharfschützin war, passte gar nicht zu ihrem äußeren Erscheinungsbild.
Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, ihr Gesicht hatte sie mit Tarnfarbe bemalt. Sie hatte das Gewehr angelegt und visierte mit äußerster Konzentration ihr Ziel an.
Nur eine ganz leichte Bewegung verriet Ethan, dass sie abgedrückt hatte. Zwei Sekunden später folgte der nächste Schuss. Dann zielte sie auf den anderen Wachturm. Wieder schoss sie zweimal rasch hintereinander, dann hielt sie die Hand hoch. Aufgabe erfüllt.
Noch zwanzig Sekunden.
P. J. änderte ihre Position so, dass sie Sams und Ethans Weg ins Lager im Visier hatte. Noch fünf Sekunden. Sie war bereit.
Eine donnernde Explosion ließ den Boden erbeben. Zahlreiche Feuerbälle erhoben sich über den Dschungelbaldachin und erleuchteten einen unheimlichen Pfad in den Himmel hinauf.
Ethan rannte mit erhobenem Gewehr durch das Dickicht auf den frei gesprengten Teil des Lagers zu. Als er die erste Hütte erreichte, knatterten links und rechts Maschinengewehre los. Wie weit Sam war, wusste er nicht. Er konnte nur hoffen, dass die beiden Scharfschützen ihren Job erledigten.
Sie kauerte mit angezogenen Knien in der Dunkelheit, wiegte sich vor und zurück, immer wieder, und rieb sich mit den Händen über die Schienbeine.
Ihre Medizin. Sie brauchte ihre Medizin. Wo waren sie? Hatten sie sie vergessen? War sie böse gewesen? Wurde sie für irgendetwas bestraft? Sie brauchte ihre Medizin. Der Schmerz zog eine brennende Spur über ihren ganzen Körper.
Sie schloss die Augen und schaukelte immer schneller. Ihre Schultern waren in Schweiß gebadet, sie zitterte wie Espenlaub. Der Lehmboden fühlte sich kalt und hart an. Trotz der drückenden Hitze und Schwüle fröstelte sie. Sie bekam eine Gänsehaut.
Rachel. Rachel. Rachel.
Wie eine Litanei sprach sie den Namen immer wieder vor sich hin. Wenn sie ihn oft genug wiederholte, würde sie ihn nicht vergessen. Und sie hatte schon so viel vergessen.
Ich heiße Rachel.
Sie klammerte sich an diese wichtige Information und beruhigte sich ein wenig. Schmerz und Übelkeit durchfluteten sie. Sie atmete tief
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