KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
hatte sie geglaubt, sie könnte die Welt erobern. Sie war glücklich gewesen, so sicher, dass Ethan sie liebte. Sie hatte geglaubt, ihr Leben würde endlich wieder in ordentlichen Bahnen verlaufen, und jetzt war alles ein einziger Scherbenhaufen.
»Sind wir glücklich gewesen?«, fragte sie unvermittelt. »Glaubt ihr, dass Ethan und ich glücklich waren? Vor meinem ›Tod‹, meine ich.«
Keiner der beiden antwortete. Vielleicht hielten sie es für eine rhetorische Frage.
Seufzend fuhr sie fort: »Ich hatte die ganze Zeit diese Träume. Albträume, genauer gesagt. Ethan ist wütend. Extrem wütend. Er schreit, und ich stehe da und bin sprachlos und hilflos. Ich habe mich oft gefragt, ob diese Träume Ausdruck meiner Unsicherheit sind, weil Ethan ein so vollkommener Ehemann war, seit er mich gerettet hat. Alles war so … perfekt. Ich wollte ihm immer sagen, dass ich ihn liebe, aber irgendwas hat mich davon abgehalten. Dann, gestern Abend, habe ich es ihm gesagt, und er war ganz außer sich vor Freude. Danach habe ich mich schlafen gelegt und den schlimmsten aller Albträume gehabt.«
»Und worum ging es da?«, fragte Sam sanft.
»Er hat noch mehr geschrien und war noch wütender als sonst. Ich wusste, dass er mich hasst. Und dann hat er mir diese Papiere in die Hand gedrückt.«
Ihr fiel wieder ein, dass sie sich die Dokumente in den Hosenbund gesteckt hatte. Jetzt zog sie sie heraus und hielt die Blätter hoch.
»Ich musste sie suchen, weil in dem Traum meine Welt zusammengebrochen ist, als ich sie gesehen habe. Und jetzt weiß ich auch, warum.«
»Was für Papiere sind das?«, fragte Garrett.
Sie hielt sie ihm hin. Sam stand auf und schaltete das Licht ein. Ungläubig starrte Garrett die Seiten an, während Sam sich über seine Schultern beugte und mit dem gleichen Ausdruck von Fassungslosigkeit mitlas.
Garrett blickte wieder zu ihr. »Das Datum ist ja vor … bevor du weggeflogen bist. Was soll das Ganze?«
»Mein Leben ist eine einzige Lüge, Garrett. Bevor ich abgereist bin, hat er einige schreckliche Dinge gesagt. Ich kann mich nicht an alles erinnern, wünschte aber, ich könnte es. Jedenfalls war Ethan fruchtbar wütend. Er wollte sich von mir trennen. Dann hat er mich beschuldigt, mit dir eine Affäre zu haben.«
»Leck mich am Arsch«, grummelte Sam.
Garrett saß mit offenem Mund da. Er verstand nicht, wie Ethan auf einen so hanebüchenen Unsinn kommen konnte.
»Nein, da war nie etwas zwischen uns, Rachel. Das schwöre ich. Nicht einmal in Gedanken. Für mich bist du wie eine kleine Schwester. Und für dich gab es immer nur Ethan. Seit dem Tag, an dem ihr euch kennengelernt habt, hast du keinen anderen Mann mehr angeschaut. Und umgekehrt galt für ihn das Gleiche. Wenigstens habe ich das immer gedacht.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Sie hasste das elende Gefühl der Hilflosigkeit, das diese Worte in ihr auslösten. »Er hat mir diese Papiere an dem Tag hingeworfen, an dem ich nach Südamerika geflogen bin. Ich bin mit dem Wissen fortgeganen, dass meine Ehe nicht mehr zu retten war. Und jetzt, ein Jahr später, da liebt er mich wieder? Als ob das alles nie passiert wäre? Wie soll ich die beiden Versionen unserer Ehe unter einen Hut bringen?«
Sam setzte sich nun ebenfalls neben sie und griff sich an die Schläfen. »Offensichtlich ist damals allerhand zwischen euch vorgefallen, von dem ich nichts weiß – von dem wir alle nichts wissen – , aber, Süße, in den Monaten, in denen er geglaubt hat, du wärst tot, da wäre er fast zugrunde gegangen. Es kann gar keine Rede davon sein, dass er dich nicht mehr geliebt hätte und sich scheiden lassen wollte. Das ganze letzte Jahr über hat er um dich getrauert. Das einzige Mal, dass er wie ein lebendiger Mensch gewirkt hat, war an dem Tag, als er das Päckchen mit den Informationen bekommen hat, dass du noch lebst. Und ab da gab es für ihn nur noch dich und die Frage, wie er dich zurückbekommt.«
Verwirrt hob sie die Hände. »Ich habe echt keine Ahnung, was ich tun soll. Ich weiß nur, dass ich mit unseren Problemen nie zu jemandem aus der Familie gekommen bin. Das hätte ich nie getan. Ich hätte auch jetzt nicht herkommen sollen, aber ich musste Gewissheit haben, ob ich ihn irgendwie betrogen habe.«
Garrett umfasste ihre Hände. »Zu mir kannst du immer kommen, Süße. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ethan ist mein Bruder, und ich liebe ihn. Aber du gehörst genauso zur Familie. Und er bekommt keinen Freibrief, nur weil er ein
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