KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Seine Wut verflog und machte Besorgnis Platz. Er trat ebenfalls einen Schritt zurück, wohl um weniger aggressiv zu wirken.
»Rachel? Ist alles in Ordnung?«
Nein. Sie würde nicht weinen. Sie. Würde. Nicht. Weinen. Mit aller Macht versuchte sie, Haltung zu bewahren, und hielt seinem Blick stand.
»Ich muss Garrett sprechen«, sagte sie zögernd.
Sam zog die Tür weit auf und nahm sie am Arm. »Ich hole ihn. Komm rein, und mach es dir gemütlich. Wo ist Ethan? Stimmt irgendwas nicht?«
Erneut konnte sie die Tränen nur mit größter Mühe zurückhalten, und während sie ihm nach drinnen folgte, biss sie sich heftig auf die Unterlippe.
»Ethan ist zu Hause«, antwortete sie leise. »Ihm geht es gut.«
Sam musterte sie mit geübtem Blick. Es war ihm nicht entgangen, dass sie mit keinem Wort ihr eigenes Befinden erwähnt hatte. Er deutete auf die Couch, aber sie wollte sich nicht setzen. Dazu war sie zu nervös.
Sam ging hinaus, und schon kurz darauf kam Garrett herein. Seine Haare waren zerwühlt. Die tiefen Stirnfalten verrieten, dass er sich Sorgen machte. Sam folgte ihm. Er hatte sich mittlerweile ein Hemd und Jeans angezogen.
Nun war Rachel mit ihrer Selbstbeherrschung am Ende. Sie warf sich Garrett in die Arme und heulte drauflos. All die seelischen Qualen, die sie so krampfhaft zurückgehalten hatte, lösten sich in einem Tränenstrom auf. Es gab kein Halten mehr.
»Hey, Süße, was ist denn los?«
Garrett umarmte sie und strich ihr sanft übers Haar. Nach der ersten Frage schwieg er, wartete geduldig und ließ sie sich ausweinen.
Als sie sich schließlich wieder halbwegs im Griff hatte und das Schluchzen in ein Schniefen übergegangen war, schob er sie freundlich von sich und hob ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste.
»Was ist los, Rachel? Willst du dich nicht hinsetzen und mir erzählen, was dich bedrückt? Wo ist überhaupt Ethan?«
Als sie den Namen hörte, schossen ihr erneut Tränen in die Augen.
»Ach Scheiße«, murmelte Sam. »Hat dieser Armleuchter irgendwelchen Blödsinn angestellt?«
Sie ließ sich von Garrett zur Couch führen und setzte sich. Er nahm neben ihr Platz, ohne sie aus den Augen zu lassen. Sie packte seine Hände und umklammerte sie, als wollte sie sie gar nicht mehr loslassen aus Furcht, sie könnte wieder die Fassung verlieren und würde dann nie Antworten auf ihre Fragen bekommen.
»Möchtest du was trinken?«, fragte Garrett.
Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Wie sollte sie dieses heikle Thema nur anpacken? Schließlich holte sie tief Luft und blickte Garrett an.
»Ich muss dich was fragen«, sagte sie. »Und du musst mir ehrlich antworten.«
Er strich ihr über die Wange und dann eine Haarsträhne hinters Ohr. »Du kannst mich fragen, was du willst.«
Sie schluckte. »Haben wir … haben du und ich … je eine … Affäre miteinander gehabt?«
Garrett traten fast die Augen aus dem Kopf. Sam sagte etwas, aber sie konzentrierte sich nur auf Garrett. Wenn sie seine Reaktion richtig deutete, dann lag sie völlig daneben. Jetzt kam sie sich selten dämlich vor.
»Du lieber Himmel, nein«, rief Garrett. »Wie kommst du bloß auf so eine Idee? Süße, du hast dich doch nicht etwa mit dem Gedanken gequält, dass du Ethan betrogen haben könntest oder dass wir beide ihn betrogen haben? Sag mir, dass das nicht stimmt.«
»Er hat es aber geglaubt«, sagte sie leise.
»Wer?«
»Ethan.«
Garretts Kiefer klappte nach unten. Er und Sam waren beide völlig perplex. Sam ließ sich in den Lehnstuhl schräg gegenüber der Couch plumpsen.
»Jetzt mal langsam, Süße«, erwiderte Garrett. »Ich kapiere gerade gar nichts mehr. Ethan glaubt, dass du und ich was miteinander hatten?«
»Er wollte sich scheiden lassen. Er hat darauf bestanden«, sagte sie.
»Heilige Scheiße«, rief Garrett. »Ist er jetzt völlig übergeschnappt? Das alles hat er dir letzte Nacht vorgeworfen? Kurz nachdem du fast von dieser Scheißbrücke gestürzt wärst?« Garretts Gesicht färbte sich gefährlich rot. Er sah aus, als würde er gleich explodieren.
Sie beeilte sich, die Wogen etwas zu glätten. »Ich habe mich falsch ausgedrückt. Das war nicht letzte Nacht. Großer Gott, Garrett, ich glaube, ich verliere den Verstand.«
Sam beugte sich vor und sagte leise und besonnen: »Lass dir Zeit, Süße. Fang von vorne an, und erzähl uns die ganze Geschichte in aller Ruhe.«
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie war so müde. Noch vor wenigen Stunden
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