KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Kelly ist. Du sollst nie wieder das Gefühl haben, allein dazustehen.«
Sie lächelte zaghaft, dann fluchte sie leise, weil ihr schon wieder Tränen über die Wangen kullerten.
Das Telefon klingelte. Sie schrak hoch. Sam ging dran, und sie hörte selbst aus der Entfernung noch Ethans besorgte Frage.
Sam schaute zu ihr herüber. »Sie ist hier, Ethan. Nein, es geht ihr gut, sie ist nur etwas aufgewühlt. Nein, ich halte das für keine gute Idee, wenn du sofort herkommst. Wir fahren sie später nach Hause, wenn sie das will.«
Sam hielt den Hörer in die Höhe und schüttelte den Kopf. »Aufgelegt. Vermutlich wird er schon irgendeinen Weg finden, auch ohne Auto hierherzukommen.«
Sofort packte Rachel Garretts Hand fester.
»Du musst nicht gleich mit ihm reden«, beruhigte er sie. »Sam und ich können ihn auch rauswerfen und wieder nach Hause schicken. Das liegt ganz bei dir, Süße. In Ordnung? Du brauchst nichts zu tun, wobei du ein schlechtes Gefühl hast.«
»Nein, ich muss es wissen. So kann ich nicht weitermachen. Ich muss Gegenwart und Vergangenheit irgendwie in Einklang bringen. Alles, was ich seit meiner Rückkehr in Bezug auf unsere Ehe für bare Münze genommen habe, ist gelogen.«
Sie schloss die Augen, so schmerzhaft war diese Erkenntnis. Der Gedanke, dass sie letztlich doch allein auf sich gestellt war, ängstigte sie. Der Gedanke, dass der Mann, den sie von Neuem zu lieben gelernt hatte, nichts weiter war als ein Trugbild, besaß die Macht, sie zu zerstören. Nicht einmal das Jahr Gefangenschaft hatte das vermocht. Hatte sie etwa das Unmögliche überlebt, nur um dann zu Hause einen langsamen Tod zu sterben, weil all ihre Hoffnungen und Träume zerstört wurden?
Garrett zog sie an sich, umarmte sie, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und murmelte leise, beruhigende Worte, die sie nicht verstand.
»Was für ein Tag«, murmelte Sam.
»Ich frage mich die ganze Zeit, ob mein vermeintlicher Tod für ihn nicht sogar eine Erleichterung war«, sagte Rachel leise.
»Schhhh, Süße. Das ist verrückt, was du da sagst. Ich war bei ihm, als er die Nachricht bekommen hat. Ich war bei der Beerdigung dabei. Ich habe miterlebt, wie er sich das ganze letzte Jahr abgeschottet hat. Und ich habe ihn beobachtet, wie er dich zum ersten Mal wieder in den Armen gehalten hat. Ich weiß nicht, was früher alles gewesen ist, aber jetzt liebt er dich. Von ganzem Herzen.«
»Und ich habe mich oft gefragt, was ihm wohl durch den Kopf gegangen sein mag, als er nach deiner Fehlgeburt nach Hause gekommen ist und Garrett an deiner Seite vorgefunden hat. Damals habe ich geglaubt, er litte unter Schuldgefühlen, weil er nicht bei dir gewesen ist, aber jetzt denke ich, es könnte genauso gut auch Eifersucht gewesen sein. Vielleicht eine Mischung aus beidem.«
Rachel versteifte sich, machte sich von Garrett los und starrte Sam an. »Ich habe ein Baby verloren?«
Sam schloss die Augen und fluchte. »Oh Gott, entschuldige bitte. Ich habe vergessen, dass du dich noch nicht an alles erinnern kannst. Es tut mir ja so leid, Süße. Ich wollte dir nicht wehtun, um nichts auf der Welt.«
Sie fühlte sich wie erschlagen. Das Leben vor ihrem »Tod« erschien ihr nun wie ein einziges, großes Chaos. War es da ein Wunder, dass ihr Verstand alles abgeblockt hatte? Ach ja, die Drogen waren schuld, und sie litt auch nicht unter hysterischer Amnesie im medizinischen Sinn, aber angesichts der Wahrheit hätte wohl jeder Mensch, der noch bei Sinnen war, am liebsten alles vergessen.
Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Bei gesundem Verstand war sie schließlich auch nicht, oder? Sie sah sich am Abgrund stehen, so wie nur Stunden zuvor auf dieser Brücke. Sie schwankte und drohte hinunterzufallen und wusste doch gleichzeitig, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte.
»Erzählt mir davon«, sagte sie matt.
»Du hast eine Fehlgeburt erlitten, während Ethan auf einer Mission unterwegs war«, sagte Garrett schroff. »Als du aus dem Krankenhaus entlassen worden bist, ging es dir ziemlich schlecht, deshalb bin ich bei dir geblieben. Eine Woche später ist Ethan nach Hause gekommen, und kurz darauf hat er den Dienst quittiert.«
Sie stieß ein trockenes Lachen aus, nur um nicht losheulen zu müssen. Konnte ihr Leben eigentlich noch weiter den Bach runtergehen? Sie hatte geglaubt, ein perfektes Leben und eine perfekte Ehe zu führen. Dazu besaß sie eine perfekte Familie. Alles perfekt. Weiter neben der Wahrheit hätte sie damit gar nicht liegen
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