KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
hassen und unbedingt die Scheidung wollen, und ich habe nie die Gelegenheit bekommen, alles wiedergutzumachen.«
Schwankend stand sie auf. Sie musste sich an der Couch festhalten, um nicht umzukippen. Ihr Gesicht war kreidebleich, ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie war völlig am Ende. Sie befeuchtete ihre Lippen und wandte sich kurz ab, als müsste sie erst einmal all ihren ganzen Mut zusammennehmen. Welche Ironie, denn von ihnen beiden hatte allein sie die Stärke und die Kraft eines Kämpfers.
Als sie ihn wieder anblickte, trafen ihn die Gefühle, die sich in ihrem Gesicht widerspiegelten, wie ein Fausthieb. Ihre dunkelbraunen Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, die ihr nun langsam die Wangen hinabflossen.
»Willst du dich von mir trennen, Ethan? Bist du nur wegen deiner Schuldgefühle mit mir zusammen? Weil du dich verantwortlich fühlst für das, was geschehen ist? Weil deine letzten Worte, die du zu mir gesagt hast, die Scheidung von mir forderten? Wolltest du, dass ich die Dokumente finde?«
Jetzt hielt er es nicht länger aus, so weit weg von ihr zu sein. Er trat auf sie zu und nahm sie in die Arme.
»Nein, Kleines. Um Himmels willen, nein. Ich wollte mich damals nicht von dir trennen, und ich will es auch heute nicht. Ich liebe dich. Ich habe Fehler gemacht. Unverzeihliche Fehler, die mich teuer zu stehen kamen. In dem Moment, in dem du damals das Zimmer verlassen hast, wusste ich, das es der größte Fehler meines Lebens war. Die Woche, die du fort warst, habe ich nur daran gedacht, wie ich alles aus der Welt schaffen könnte, wenn du wieder bei mir bist. Auf Knien hätte ich dich angefleht. Alles hätte ich getan, damit du bei mir bleibst und ich dir beweisen könnte, wie sehr ich dich in Wahrheit liebe. Und dann erhielt ich die Nachricht von deinem Tod.«
Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er sah diese Situation wieder deutlich vor sich, konnte das Gefühl von damals nachempfinden, als seine ganze Welt zusammenstürzte. Er wollte das nicht noch einmal durchmachen müssen.
»Es tut mir so leid, Kleines. Es tut mir so leid, dass ich dir wehtue. Dass ich nicht der Mann war, den du damals gebraucht hättest, und es auch jetzt nicht bin. Die Papiere habe ich ursprünglich nur aufbewahrt, um sie zu zerreißen, wenn du wieder da bist. Als man mir dann gesagt hat, du seist tot, habe ich sie behalten, damit sie mich immer daran erinnern, dass ich nur durch meine eigene Schuld alles verloren habe. Schließlich habe ich herausgefunden, dass du noch lebst, und ab da hatte ich andere Dinge im Kopf. Ich habe sie völlig vergessen.«
Langsam wich er ein wenig zurück. Er musste sie ansehen. Sanft strich er ihr über die von den Tränen geröteten Wangen.
»Ich liebe dich«, sagte er.
Jede einzelne Träne, die er an seinen Fingerkuppen spürte, tat ihm in der Seele weh.
»Ich muss ganz sicher wissen, ob du jetzt mit mir zusammen bist, weil du mich liebst oder weil du dich dazu verpflichtet fühlst, alte Fehler wiedergutzumachen«, brachte sie stockend heraus. »Ich halte den Gedanken nicht aus, du könntest dich in der Falle fühlen, weil deine Frau aus dem Grab gestiegen ist. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, dass alles, wofür ich das letzte Jahr gebetet und das ich dann auch bekommen habe, nichts als Lug und Betrug sein könnte. Denn dann wäre das nicht das Paradies, sondern die Hölle.«
Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn, dann auf die Nase. Er küsste die feuchten Spuren auf ihren Wangen und zuletzt auch ihre zitternden Lippen.
»Der Tag, an dem ich erfahren habe, dass du noch lebst, war der glücklichste in meinem ganzen Leben. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat mir Gott eine zweite Chance geschenkt. Verdient habe ich sie nicht, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als diese Chance nutzen zu können. Ich wünsche mir, dir den Rest meines Lebens beweisen zu dürfen, dass du mir diesmal vertrauen kannst, Rachel.«
Sie sah ihn an mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung, dass es ihm das Herz brach.
Er nahm ihre Hände und legte sie sich auf die Brust, dorthin, wo sein Herz schlug.
»Ich erwarte ja nicht, dass schon nach einem Tag oder auch nach einem Monat alles vergeben und vergessen ist. Du musst dich noch an viele Dinge erinnern, und ich muss mir langsam dein Vertrauen verdienen. Kommst du wenigstens mit nach Hause, damit wir darüber reden können? Bitte, Rachel. Komm mit. Gesteh mir das zumindest zu. Ich weiß, dass ich keinen Anspruch darauf habe, aber ich
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