KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
feuern. Ein endloses Schmerzstakkato schoss durch ihre Adern. Ihre Haut juckte überall, und nur mit größter Mühe gelang es ihr, sich zu beherrschen und nicht wie wild draufloszukratzen.
Sie atmete durch die Nase. Ihre Nasenflügel bebten vor Anstrengung. Rings um sie herum war nichts als das undurchdringliche Dickicht des Dschungels. Panik ergriff sie. Ihre Hilflosigkeit trieb ihr Tränen in die Augen. Sie hatte keine Ahnung, wo sie hinlaufen und wie sie am Leben bleiben sollte.
Trotz der drückenden Schwüle war ihr kalt. Sie fror von innen heraus. Ein Geräusch hinter ihr schreckte sie auf. Sie wirbelte herum, unsicher, wohin sie flüchten sollte. Aus welcher Richtung war sie überhaupt gekommen?
Vor Müdigkeit wurden ihre Augenlider schwer, doch sie blinzelte kurz und zwang sich weiterzugehen. Morast und Gott weiß was zerrten an ihren Zehen. Als etwas Glitschiges über ihren Knöchel glitt, riss sie hastig den Fuß hoch.
Sie hechtete in ein dichtes Gewirr aus Pflanzen. Dabei verspürte sie ein plötzliches Stechen in ihrer Schulter, und der Schmerz raste wie Feuer durch ihre protestierenden Muskeln. Hatte sie sich die Schulter ausgekugelt? Keuchend blieb sie liegen, während der Schmerz durch ihren Körper tobte.
Sie musste weiter, damit sie sie nicht entdeckten.
Die feuchten Blätter strichen ihr über die Wangen und hinterließen eine kühle Spur auf der Haut. Sie presste den verletzten Arm an die Brust, tastete sich mit der anderen Hand vor und kroch weiter, bis sie komplett vom Unterholz verschluckt wurde.
Ihre Knie trafen auf mehrere knorrige Baumwurzeln. Rasch robbte sie zum Stamm, um sich an seiner Rinde zu wärmen und ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen.
Still. Sie musste still sein. Ihr Atmen klang in ihren Ohren wie Gebrüll, selbst inmitten der Kakofonie des Dschungels.
Vorsichtig zog sie die Beine an und klemmte den verletzten Arm zwischen Brust und Knie ein. Sie verhielt sich so still wie nur möglich. Ihre Muskeln zuckten, ihre Haut juckte. Sie kämpfte gegen den Drang, sich zu kratzen und die Millionen Dinge wegzufegen, die über ihren Körper krabbelten. Sie sah an sich hinab, auch wenn ihr klar war, dass sie nichts finden würde, aber ihr Körper weigerte sich zu glauben, was der Verstand ihm sagte.
Aus den Augenwinkeln heraus sah sie eine Bewegung. Sie erstarrte. Langsam drehte sie den Kopf nach links, hielt Ausschau. Dann entdeckte sie ihn.
Ihr stockte der Atem. Das war der Mann, der mit Ethan gekommen war. Sam. Er war groß, wirkte böse und hatte ein Gewehr. Er blickte sich um, sein Gesichtsausdruck war finster und konzentriert.
Oh Gott, oh Gott. Was sollte sie bloß tun? Er jagte ihr eine solche Angst ein. Sie kannte ihn nicht. Sie traute ihm nicht. Allerdings kannte er ihren Namen. Würde er sie jetzt, da Ethan tot war, wieder in die Hütte bringen? Würde er ihr helfen oder sie einfach nur loswerden wollen?
Dann sah sie rechts von sich etwas aufblitzen. Erst glaubte sie, sie hätte sich getäuscht, doch dann entdeckte sie die Männer, die sich durch das Dickicht schoben. Sie waren kaum auszumachen. In ihrer Tarnkleidung verschmolzen sie fast völlig mit ihrer Umgebung.
Wie groß ihre Angst vor Sam auch sein mochte, von diesen Männern hatte sie Schlimmeres zu erwarten. Sie kannte ihre Gesichter gut, weil sie sie tagtäglich gesehen hatte. Eine halbe Ewigkeit lang. Galle stieg in ihr hoch, und sie zitterte so sehr, dass ihre Zähne laut klapperten.
Sie musste alles auf eine Karte setzen. Da Ethan tot war, war diesem Sam möglicherweise egal, was mit ihr geschah. Aber bisher hatte er ihr nichts getan, was sie von ihren Entführern nicht behaupten konnte.
Ihre verzweifelte Furcht lähmte sie schier, dennoch stand sie mit wackligen Knien auf. Sie musste ihn warnen … Hatte Sam die Bedrohung erkannt?
»Sam, hinter dir!«
Blitzschnell warf er sich zu Boden, da waren auch schon Gewehrschüsse zu hören. Einer der Männer fiel um. Wilde Befriedigung überkam sie. Dann wieder Schüsse. Diesmal von hinten.
Sie legte sich flach hin und schlang sich die Arme um den Kopf. Im Geist schrie sie unaufhörlich. Um sich irgendwie zu schützen, während um sie herum ein regelrechter Krieg ausbrach, rollte sie sich ganz klein zusammen. Sie wollte nach Möglichkeit unsichtbar werden.
Doch schon bald wurde ihr klar, wie dumm das war. Sie musste hier weg. Ihr Versteck hatte sie schon verraten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie kamen, um sie zu holen.
Der Schrecken verlieh
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